Reform aus Berlin und eine Planung in NRW Was bedeutet Lauterbachs Krankenhaus-Plan für NRW?

DÜSSELDORF · Eine neue Auswirkungsanalyse zeigt verheerende Verschiebungen in der Krankenhaus-Landschaft. Was NRW-Minister Laumann dazu sagt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Foto: dpa/Philipp Znidar

In der nordrhein-westfälischen Krankenhauslandschaft herrscht große Aufregung: Ohnehin auf Geheiß von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) seit Jahren mit einer Neuplanung befasst, die einteilen soll, welches Krankenhaus noch welche medizinische Leistung anbieten darf, wirft der Reformplan der Regierungskommission von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) neue Fragen auf. Lauterbachs mit Wissenschaftlern besetztes Expertengremium hat zuerst die Finanzierung der Krankenhäuser in den Blick genommen und ein Gesamtkonzept entwickelt, das jetzt von der Krankenhausgesellschaft in NRW als unbrauchbar markiert worden ist. Die hat die Auswirkungen der neuen Vorschläge auf NRW heruntergebrochenen – und Alarm geschlagen: Es käme bei konsequenter Anwendung zu rigorosen Einschnitten für Patienten, wichtige medizinische Leistungen müssten auf nur noch 36 Krankenhäuser im Rheinland und Westfalen-Lippe konzentriert werden. 337 NRW-Krankenhäuser würden hingegen von elementaren Teilen der Versorgung ausgeschlossen.

70 Prozent werdender Eltern müssten neue Klinik suchen

„Eine solche Krankenhausplanung vom grünen Tisch in Berlin folgt zahlengetriebenen Zielen, die am tatsächlichen Bedarf der Menschen in ihrem Umfeld vorbeigehen. Im Mittelpunkt muss aber eine verlässliche, gut erreichbare und qualitativ hochwertige Versorgung stehen“, sagte Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW. Diesen Ansatz, so Morell, setze derweil die neue NRW-Krankenhausplanung um. „Das geht nur auf Landesebene, weil die Länder den jeweiligen Bedarf kennen“, so Morell. Es ist am Ende ein Streit um regionales Wissen, um Zuständigkeiten und Unzulänglichkeiten in der Versorgung. Und natürlich auch um Pfründe.

Die von Gesundheitsökonom Boris Augurzky mit der Firma Vebeto erstellte Auswirkungsanalyse zeigt gravierende Einschnitte auf. So müssten sich etwa 70 Prozent aller werdenden Eltern eine neue Entbindungsklinik suchen. Zudem würde die Notfallversorgung bei Herzinfarkt oder Schlaganfall stark ausgedünnt. Derzeit könnten akute Herzinfarkte in NRW noch an 136 Standorten schnell behandelt werden. Bei der angepeilten Aufteilung der Krankenhäuser in Grundversorger und höhere Notfallstufen blieben nur noch 34 Standorte übrig. „Wenn es um Leben und Tod geht, wenn jede Sekunde zählt, kann in einem Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern nicht ein dünnes Netz von wenigen Kliniken die Daseinsvorsorge sichern“, sagte Morell.

Lauterbach hatte die Reformvorschläge vor zwei Monaten publik gemacht. Im Januar dieses Jahres hatte er dann in einer Pressekonferenz mit Laumann von einem mitbestimmungspflichtigen Gesetz gesprochen. Die Länder müssen also über den Bundesrat zustimmen. Seither arbeiten Bund und Länder in Arbeitsgruppen zusammen – mit dem Ziel eines gemeinsamen Gesetzentwurfs.

Laumann machte gestern gegenüber dieser Zeitung deutlich, dass er die NRW-Expertise für ein neues Krankenhausgesetz als maßgeblich bewertet. „Wir befinden uns in einem offenen Diskussionsprozess mit dem Bund und den Ländern über die Zukunft des Krankenhauswesens. Ich gehe davon aus, dass der noch zu erarbeitende Gesetzgebungsentwurf keine 1:1-Umsetzung der Kommissionsvorschläge sein wird, sondern sich stark an der NRW-Krankenhausplanung orientiert“, sagte Laumann. Eine „Reißbrett-Krankenhausplanung, die mit der Brechstange an gewachsene Strukturen geht“, werde in den Ländern und bei den Bürgern keine Zustimmung finden. Laumann weiter: „Die Länder brauchen bei der Krankenhausplanung Beinfreiheit – die Pläne der Expertenkommission würden solche Handlungsspielräume nahezu ausschließen.“

Beispiel Geburtshilfe: Von 137 Standorten würden in NRW nach einer Spezialisierung der Krankenhäuser nur noch 35 übrig bleiben. „Es ist vollkommen unrealistisch, mehr als zwei Drittel aller Geburten kurzerhand auf wenige Geburtshilfen auszulagern“, so Morell. „Dafür müssten an diesen Standorten mehrere Etagen mit Kreißsälen und zugleich Hotels für Hochschwangere und Angehörige gebaut werden.“ Krankenhausplanung funktioniere nicht „nach einem Algorithmus“. Morell gilt als Fürsprecher der weit gediehenen NRW-Krankenhausplanung. „Wir sind mitten im Planungsprozess, die Krankenkassen geben ihre Stellungnahmen ab, dann gibt es das regionale Planungsverfahren. Im Laufe dieses Jahres werden wir die ersten Entscheidungen bekommen, natürlich auch abhängig davon, wie viel Dissens es gibt.“ Morell sagt: „Auch wir werden Fusionen und Schließungen ganzer Standorte erleben. Aber das tragen wir mit.“