Zum neuen Album der Düsseldorfer Punkrocker von „Massendefekt“ „Wir können uns gegenseitig extrem auf die Nerven gehen“

Düsseldorf · Ein Gespräch mit der Düsseldorfer Punkrock-Band Massendefekt vor dem Erscheinen ihres neuen Albums „Lasst die Hunde warten“.

Nico Jansen (links), Sebastian „Sebi“ Beyer (Mitte) und Mike Duda (r.) bei einemAuftritt.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Jörg Klemenz führte das Gespräch

Sebi, nico, wann wusstet ihr:
Das neue Album, das wird gut?

Sebi: Das wusste ich vom allerersten Moment an, als wir das einführende Gitarrenriff der ersten Nummer „Zugvögel“ gespielt haben. Das war ein geiles Gefühl. Natürlich blieb dieses Gefühl nicht fortwährend bestehen: Es gab schon viele Tiefpunkte während des Songwritings. Aber der Start war voller Energie. Und ich wusste, wenn wir am Ball bleiben und ich meine Bilder im Kopf zulassen kann, dann wird das neue Album gut.

Bilder im Kopf?

Sebi: Im Prinzip ist es die Frage, ob ich hier im Proberaum vor und mit den Bandkollegen über meine eigenen Gedanken, Gefühle und Ideen sprechen kann. Manchmal hat man eine Sache im Kopf und hofft, dass sie einen nicht auslachen werden. Denn es ist ja oft etwas Persönliches, das man hier mit hineinbringt. Und wenn ich schließlich merke: Niemand lacht und wir können über einen Gedanken reden, dann tut das mir, dem Song und dessen Idee gut.

Inwiefern gab es Momente, in denen auch politische Korrektheit eine Rolle in eurem Diskurs spielte?

Sebi: Natürlich muss man heutzutage aufpassen, was man sagt. Besser ist es daher, lieber dreimal über seinen Text zu lesen. Obwohl unsere politische Grundhaltung als Band klar definiert ist. Trotzdem kann es leicht passieren, dass man aufgrund einer Äußerung in die falsche Ecke gedrängt wird.

Ist das euch
schon mal passiert?

Sebi: Auf unserem letzten Album „Zurück ins Licht“ gibt es den Song „Antikörper“. Am Ende singe ich da „Mal wieder auf der guten Seite / Du und ich, zurück ins Licht“. Ursprünglich lautete die Textstelle jedoch „Und wir reiten auf der guten Seite / Du und ich und John Wayne“. Dass John Wayne aber Zeit seines Lebens Nazi gewesen ist, war uns zuerst gar nicht bewusst, bevor wir uns etwas näher mit der Person Waynes beschäftigt haben. Spätestens aber unsere Fans hätten uns auf den Fauxpas aufmerksam gemacht. Den Song spielen wir aber nicht mehr.

Dafür aber auf der kommenden Tour einige neue Songs?

Sebi: Genau. Und irgendwie ist es auch eine große Last, die dann von Beginn der Tour an von mir fallen wird. Diese ganzen Gespräche und Streitereien über Akkorde, Texte und Setlisten verschwinden mit einem Mal. Wir können uns gegenseitig so extrem auf die Nerven gehen, aber auf der Bühne sind wir eine Einheit. Zusammen mit unserem Publikum. Und ich bin mir ziemlich sicher: Unsere Fans werden von Anfang an jede neue Textzeile mitsingen können.

Wenn sie sich das Konzert denn überhaupt leisten können…

Nico: Das Ticket für ein Konzert kostet mittlerweile 35 Euro. Für die aktuelle Tour mussten wir die Ticketpreise leider noch einmal um fünf Prozent erhöhen. In den letzten Jahren sind die Kosten einer solchen Produktion enorm gestiegen. Wir führen viele Gespräche mit Fans, die gerne auf das eine oder andere Konzert von uns kommen wollen, es aber aufgrund der erhöhten Ticketpreise einfach nicht mehr schaffen.

Wie fühlt sich
das für euch an?

Nico: Natürlich ist das bitter. Aber wenn man bei etwa 400 Leuten pro Konzert immer das eine oder andere Auge zudrücken würde, dann würde das „Geschäftsmodell“ der Band irgendwann nicht mehr funktionieren. Die Rosenheimer Band Kaffkiez beispielsweise spielt nach ihrer ausverkauften Tour einfach noch mal acht zusätzliche Konzerte in kleinen Clubs der Republik. Völlig umsonst. Das ist geil. Muss man sich aber auch leisten können.

So wie vielleicht auch einen Tag am Meer. Bei eurer gleichnamigen Nummer jedenfalls kommt man nicht sofort in ein entspanntes Strandfeeling.

Sebi: Den Ausbruchs- beziehungsweise den Freiheitsgedanken, den dieser Song transportieren will, kann man meines Erachtens schon gut heraushören. Das Bild dieses einen freien Tages am Meer und der Weg dorthin bringt das Lied gut rüber, denke ich. Es geht uns mit diesem Song vor allem darum, beim Zuhörer das Gefühl zu erzeugen, den Alltag zurücklassen zu können und zu dürfen.

Nico: Und wir hier in  NRW haben sowieso das Privileg, innerhalb einiger weniger Stunden Autofahrt die niederländische oder belgische Küste erreichen zu können. Oder um es platt auszudrücken: Einfach mit Stinkefinger aus der Stadt rausfahren, dann einen Tag am Meer durchatmen und wieder zurückkommen.