Düsseldorfer NRW-Forum stellt den Müßiggang aus Sonderbar sorglos in sorgenvollen Zeiten

Düsseldorf · In den Ehrenhof ist der doppelte Sommer eingezogen. Ach was, der dreifache, vierfache, zigfache Sommer! Er steckt in den Blumen, die in den Beeten blühen, in den noch dicht belaubten Bäumen und dem lauen Lüftchen, das vom Rhein herüberweht.

Mit einer Banane im Liegestuhl wird die Ausstellung im NRW-Forum beworben.

Foto: A. Jacobs/Annette Jacobs

Und er steckt seit heute auch im NRW-Forum. Wer jetzt sagt: „Museum im Sommer mach ich nicht“, wird erleben, wie sich die schönen Seiten dieser Jahreszeit in den klimatisierten Ausstellungssaal hinein verlängern.

Wie dort auf einen Schlag all jene Facetten offenbart werden, die jede für sich genommen einen prima kleinen Sommer abgeben würde: Ferien (die großen), Eis, das gleich nach dem Bezahlen aus dem Hörnchen tropft, bis Mitternacht ohne Jacke draußen sitzen, länger im Wasser bleiben als alle anderen. Im Assoziationsraum ist viel Platz für alles Schöne, das die Zeit dehnt.

Liegestühle können auf
Auktion ersteigert werden

Diesen Freuden widmet sich die neue Schau „The Sweetness of Doing Nothing“ im NRW-Forum, die – untypisch für das Haus – ganz ohne digitale oder immersive Medienkunst auskommt. Stattdessen hängen schlichte Klappliegestühle aus Holz wie gerahmte Bilder an den Wänden. Illustratoren, Kommunikations- und Grafikdesigner haben Arbeiten entworfen, mit denen die Sitzflächen aus Stoff bedruckt sind. Platz nehmen darf man leider nicht, um das süße Nichtstun sogleich auszuprobieren. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Liegestühle auf einer Auktion zu ersteigern. Wetterbeständig sind sie, versichert Illustratorin Annette Jacobs, die mit dem Designer Lukas Schulz die vergnügliche Ausstellung kuratiert hat. Es geht hier sonderbar sorglos zu in diesen sorgenvollen Zeiten: Auf dem Liegestuhl von Annette Jacobs räkeln sich auf rosaroten Wellen Bananen mit und ohne Sonnenbrille, blinzelnd und mit geschlossenen Augen. „Do nothing“ lautet die Botschaft, die simpel daherkommt, in der Umsetzung aber viel verlangt von dem modernen Menschen, der immer mehr zu erledigen und zu bewältigen hat. Selbst das Image des Sommers, der einst meistgeliebten unter den Jahreszeiten, ist ja ramponiert, obwohl der nichts dafür kann, dass Menschen die Erde so sehr plagen. Wie schön, dass stattdessen in diesem Liegestuhl-Paradies einer Frau im lila Badeanzug Blumen aus dem Kopf wachsen können, während sie ihre Füße in einer Schüssel Wasser kühlt; das Glas Weißwein in Reichweite.

Ruben Ahlers wiederum lässt knackig-grüne Oliven über Martini-Gläsern kreisen, und Katrin Schubert hat Peter Schlumbowski – ein wiederkehrendes Motiv in ihren Arbeiten und ihr Alter Ego – in einen Tiefschlaf versetzt. Mit halb geöffnetem Mund liegt er auf dem Sofa, das T-Shirt ist nach oben gerutscht, und ein auf Wachstum bedachtes Bäuchlein kommt zum Vorschein. Die Fernbedienung hält Schlumbowski in der Hand, auf dem Teppichboden liegt ein angeknabberter Keks. Dummerweise kann man Schlumbowski nicht wecken, um ihm zu sagen, wie unvorteilhaft er sich gerade präsentiert. Hinter der Szene stecken, was nur beim Nachlesen der Künstlerbiografie zu erfahren ist, Corona und die Lethargie, die die Pandemie über die Menschen gebracht hat. Von diesem Kummer wird andernorts ausgiebig berichtet, an dieser Stelle sehen wir davon ab. Auch um dem Ausstellungskonzept nicht in die Parade zu fahren, das vorsieht, alles Schicksalsschwere auszuschließen. Und so leuchtet es zitronengelb, grasgrün, azurblau und himbeerrosa von den Museumswänden, als Annette Jacobs erklärt, warum das so ist: „Man hatte zuletzt fast das Gefühl, man dürfe sich nicht mehr freuen oder entspannen. Also haben wir uns ein leichtes Thema für die Ausstellung gesucht, eines, das zum Sommer passt.“ Müßiggang ohne schlechtes Gewissen – ein bisschen Pädagogik schwingt also mit in der als unpolitisch angelegten Schau. „Ich muss gar nichts“, hat Killian van de Water denn auch sein Liegestuhlthema betitelt: Zwei junge Kerle hängen gemeinsam ab, halten eine Tüte Kakao und eine Karotte in Händen, der eine krault den Panzer einer Schildkröte. Vielleicht ein stiller Gruß an die Flaneure des 19. Jahrhunderts, die Schildkröten an Leinen zunächst in Paris und später in Berlin durch Passagen führten, um die Langsamkeit zu zelebrieren. Vom Fortschritt durch die Industrialisierung sahen sie sich bedroht. In der Ausstellung kann man das Schlendern schon mal üben. Sie ist überschaubar, komplexe Themen bringen die Illustratoren kunstfertig auf den Punkt. Ganz ohne die Mittel der schnellen Welt geht es dann aber doch nicht. Die Bilder auf den Stoffbahnen sind ausnahmslos digital hergestellt. Aller Anfang des Prozesses aber, sagt Jacobs wie zur Beruhigung, ist analog.