Kempen Grobben-Straße: Kulturausschuss stimmt für eine Umbenennung

Kempen · Wegen der NS-Vergangenheit des Heimatdichters soll sein Name aus dem Straßenbild verschwinden. Denkbar knapp – mit 8:7-Stimmen – unterstützte der Ausschuss die Verwaltung.

Um seine Verdienste als Mundartdichter zu würdigen, wurde diese Straße zwischen Innenstadt und Westen 1964 nach Wilhelm Grobben benannt. Der Antrag kam damals von der CDU.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Volker Rübo räumte ein, dass er sich mit dieser Beschlussvorlage sehr schwer getan habe. Der Bürgermeister musste in der Vorbereitung für den Kulturausschuss abwägen, ob die Wilhelm-Grobben-Straße umbenannt werden soll. Ein Bürger hatte diesen Antrag gestellt, weil der anerkannte und beliebte Heimatdichter während der Zeit des Nationalsozialismus führende Posten innehatte. So war er Ortsgruppenleiter der Hitler-Partei NSDAP und auch Kreiskulturwart. Gestützt auf die Ausführungen des Kempener Historikers Hans Kaiser, nach denen Grobben alles andere als ein Mitläufer war, legte Rübo, den Beschluss vor, die Straße umzubenennen (die WZ berichtete).

Der Kulturausschuss unterstützte den Vorschlag des Bürgermeisters am Donnerstagabend denkbar knapp. Mit 8:7-Stimmen votierte der Ausschuss für die Umbenennung. Die sieben CDU-Mitglieder wollten den Namen beibehalten. SPD, Grüne, Freie Wähler Kempen (FWK) und FDP sind für einen neuen Namen. Das letzte Wort hat der Hauptausschuss am 3.  Dezember.

CDU merkt an, auch über andere Straßen sprechen zu müssen

Die CDU schien sich in der Vorbereitung auf die Sitzung mit dem Thema ebenso schwer getan zu haben. Letztlich brachte Michael Smeets aber zum Ausdruck, dass die CDU „nicht begeistert von einer Umbenennung ist“. Unter anderem aus praktischen Gründen. „Sind denn die Anwohner schon mal gefragt worden? Schließlich bedeutet das für die Leute eine Menge Veränderungen im Alltag“, so Smeets. Ausweispapiere, Kontodaten und vieles mehr müsse geändert werden.

Außerdem sah die CDU die Problematik, dass nach der Wilhelm-Grobben-Straße dann auch über andere Straßen nachgedacht werden müsse. „Zum Beispiel über die Ludwig-Jahn-Straße“, so Smeets. Wie Historiker Kaiser später in einer ausführlichen Expertise erklärte, war Ludwig Jahn ein „bekennender Rassist und Antisemit“.

Für die SPD ging Heinz Wiegers in seiner Argumentation auf einen Beschluss von 1964 ein, als die CDU den Antrag für eine Wilhelm-Grobben-Straße gestellt hatte. Wiegers hatte sich das Protokoll der damaligen Sitzung im Stadtarchiv besorgt. Mit zehn CDU-Stimmen wurde damals für die Benennung nach Grobben bestimmt. Dazu gab es sechs Enthaltungen und eine Gegenstimme. „Das Ergebnis zeigt mir, dass unsere Vorgänger damals zögerlich mit dem Thema umgegangen sind“, so Wiegers. „Aber heute sind wir wesentlich weiter.“

Es gehe keineswegs darum, über Wilhelm Grobben zu richten, so Wiegers. „Es geht um die Frage, ob er es wert ist, dass nach ihm eine Straße benannt ist.“ Grobben habe sich offensiv zum Nationalsozialismus bekannt, sei kein Mitläufer gewesen. Als Ortsgruppenleiter und Kreiskulturwart habe er Einfluss und Mitwissen gehabt. „Es geht in dieser Frage auch um die Glaubwürdigkeit der Stadt Kempen. Daher sollten wir die Straße umbenennen“, sagte Wiegers. Dazu hatte die SPD auch gleich einen Vorschlag. Denn vor 1964 hat die Straße Fliederstraße geheißen. Passend zu den umliegenden Straßen Ginsterweg und Am Schledorn. Daher solle man einfach wieder zum Namen Fliederstraße zurückkehren, so die SPD.

SPD: Ein Grobben-Preis auf
Initiative von Joseph Goebbels

Heinz Wiegers ging auch auf das künstlerische Schaffen des Leiters der Knaben- und Volksschule ein. „Es wird ja immer gesagt, dass er renommierte Preise gewonnen hat“, so Wiegers. Zum Beispiel den „Goldenen Spatz“. Dieser Literatur-Preis sei aber auf Initiative von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels vergeben worden. Und daran hätten auch nur Literaten teilnehmen können, die sich zum Nationalsozialismus bekannt haben. „Da haben Nationalsozialisten andere Nationalsozialisten ausgezeichnet“, sagte Wiegers. Mit Blick auf Grobbens bekanntes lokales Werk „Min Kempe“ sagte der SPD-Ratsherr: „Galt ,Min Kempe’ denn ich auch für die Juden in Kempen?“

Für die Grünen sagte Ute Straeten, dass Verwaltung und Politik in dieser Frage Haltung zeigen müssen. Es gehe auch darum rechtsradikale Tendenzen im Keim zu ersticken. Dass im Jahre 2019 eine Kempener Straße nach einem „ranghöchsten Nazi“ benannt ist, müsse geändert werden. Straeten brachte die Idee ins Spiel, die Straße nach einem jüdischen Opfer aus Kempen zu benennen. „Oder vielleicht Geschwister-Scholl-Straße. Das wäre ein Signal“, so Straeten.

Freie Wähler und Linke bezogen ebenfalls eine klare Position

„Wilhelm Grobben war ein Feind der Demokratie. Er hat aktiv gegen die Weimarer Republik gekämpft“, so Udo Kadagies (FWK). Zudem stehe der Name Grobben auch für eine Pädagogik, die mit Prügelstrafen verbunden ist. „Das alles reicht uns, um die Straße umzubenennen“, sagte Kadagies für die Freien Wähler.

Günter Solecki (Die Linke), der im Ausschuss nur Rede- und kein Stimmrecht hat, plädierte „ganz klar“ für eine Umbenennung. „Wir reden hier vom Nazi-Boss in Kempen. Und spätestens in der Pogromnacht am 9. November 1938 hätte Grobben wissen müssen, was die Nazis vorhaben. Da war Schluss mit lustig“, sagte Solecki. Zudem habe Grobben nicht nur Heimatgedichte geschrieben, sondern auch literarische Arbeiten für das Nazi-Regime ausgeführt.

Helmut Möller (FDP) meldete sich nicht zu Wort, stimmte aber abschließend für die Umbenennung der Straße.