Autor Norbert Scheuer unterhielt sich mit Annette Hager im Studio des Loch über sein 2019 erschienenes Buch  „Winterbienen“: Die Königin im Lockenwickler

Die diesjährige Literatur Biennale fragt nach dem Wesen des Menschen in seiner Lebenswelt. Kaum ein anderes Buch passt so gut in diesen Themenkomplex wie Norbert Scheuers Winterbienen. Hier treffen Bienen, Mensch und die Maschinerie des Krieges auf ungewöhnliche Weise aufeinander.

Wohlfühlamtosphäre im „Wohnzimmer“-Studio des Loch: Autor Scheuer und Moderatorin Hager.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Eine digitale Begegnung mit dem Autor fand am Wochenende im Loch statt. Hier unterhielten sich Moderatorin Annette Hager und Norbert Scheuer über seinen 2019 veröffentlichten Roman Winterbienen, der mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis und dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet worden ist.

„Winterbienen“ erzählt die Geschichte des Egidius Arimond vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges um 1944. Während die Kampfbomber über seinem Heimatort Kall kreisen, bringt sich der wegen seiner Epilepsie nicht wehrtaugliche Egidius in Gefahr - als Frauenheld und als Fluchthelfer. Er bringt flüchtende Juden auf recht ungewöhnliche Art über die Grenze nach Belgien: in präparierten Bienenstöcken. Ganz unaufdringlich werden hier Motive wie Liebe, Tod, Holocaust, Bienen und die Eifel zusammengeführt. Der Protagonist ist einfallsreicher Retter aber gleichzeitig ein Gefangener seiner Bienen und seiner Krankheit.

„Im letzten Sommer transportierte ich ein kleines Mädchen“, schreibt Egidius in sein Bienentagebuch. „Das Mädchen kauerte regungslos im Versteck. Die Bienen flogen auf der Suche nach ihrer Königin in den Kasten, in dem die Kleine hockte. Sie hatten sie bald umhüllt und so unsichtbar gemacht. Bienen sind, wenn sie ausschwärmen, nicht aggressiv, sie wollen nur zu ihrer Königin und haben nichts anderes im Sinn, als sie zu beschützen, denn ohne sie ist ein Volk völlig hilflos und stirbt. Ich hatte der Kleinen vorsorglich Lockenwickler mit Königinnen am Kleid befestigt.“

Die Idee zu dieser leisen und bewegenden Bienengeschichte kam dem Autor über die Chronik eines Imkers, die er fand. Darin beschrieb dieser die grausigen Kriegsgeschehen in seinem Dorf und endete mit dem Satz: „Aber die Bienen flogen wieder schön.“ Dieses Bild habe sich ihm eingeprägt. „Einige meiner Freunde sind Imker, ich hatte also Kenntnisse von Bienen, aber nicht so fundiert“, erzählt der Autor. Er habe sich  sehr viel über Bienen und deren Biologie anlesen müssen. „Winterbienen sind eine bestimmte Art von Bienen, die eine bestimmte Aufgabe haben, sie erzeugen die Wärme für das ganze Volk.“

Liebe, Tod, Holocaust,
Bienen und die Eifel

Bewusst gestaltet Scheuer Egidius’ Geschichte als Tagebucheinträge. „Ich wollte einen Roman über diese Zeit schreiben, der nicht die Reflexionsebene mit einbezieht“, dafür sei das Tagebuch die einzige Form. Tagebuchschreiben ist auch für ihn persönlich sehr wichtig: „Darauf könnte ich nicht verzichten!“

Norbert Scheuer wurde 1951 im rheinland-pfälzischen Prüm in der Westeifel geboren. Er machte eine Lehre als Elektriker und studierte physikalische Technik sowie Philosophie. Die Liebe zum Geschichtenerzählen hat er seit seiner Schulzeit. In der Gaststätte seiner Eltern habe er das Leben kennengelernt und hinter der Theke vielen Geschichten zugehört. Der Autor erhielt   mehrere Preise, arbeitete aber auch als Systemprogrammierer weiter. Der Naturliebhaber lebt in Kall in der Nordeifel, dem Schauplatz vieler seiner Romane.