Kolumne „Wuppertaler Perspektiven“ Wollen wir eine rassistische Zukunft?

Serie | Wuppertal · In unserer Serie „Wuppertaler Perspektiven“ sprechen verschiedene Kolumnisten über Alltagsrassismus in Wuppertal und wie sie diesen erleben. Diesmal meint Kathrin Schwarz: Man sollte schon bei den Kindern anfangen.

Kathrin Schwarz berichtet über ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus.

Foto: ja/Schwarz

Rassismus ist nicht angeboren. Kinder sind nicht in der Lage, Menschen nach ihren äußeren Merkmalen einzuteilen, ethnischen Herkünften zuzuordnen und sie anschließend mit negativen Eigenschaften in Bezug zu setzen und dadurch abzuwerten. Kinder und Jugendliche lernen durch rassistische Wahrnehmungsmuster und bestehende gesellschaftliche Strukturen, rassistisch zu sein. Das geschieht im sozialen Umfeld und in der Öffentlichkeit und muss nicht zwangsläufig beigebracht werden.

Das müssen keine offensichtlichen Äußerungen von Erwachsenen sein. Betrachtet man allein Kinderbücher, Kinderfilme, Lieder, Spiele und Lehrmaterial, so sieht man, dass sie nicht frei von Rassismus sind und diesen sogar antreiben. Ich kann mich an meine Kindergartenzeit erinnern. Wir hatten einige Kinder, die nicht dem europäischen Aussehen entsprachen. Beim Spielen „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ guckten alle den dunkelhäutigen Jungen an. Dasselbe bei dem Lied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“. Auch ließen sich fragwürdige Schulaufgaben und Tests beobachten, die ethnische Vorurteile falsch behandeln. Wie beispielsweise eine Aufgabe, bei der Schüler aufgefordert werden, ethnische Herkünfte mit „passenden“ Vorurteilen zu verknüpfen. Der Blick der Heranwachsenden wird auf die ethnischen Aspekte gelenkt und rassistische Vorurteile werden eingepflanzt und manifestiert.

An diesem Punkt wird den Eltern oder den Kindern das Lehren beziehungsweise Lernen der antirassistischen Haltung überlassen. Doch wissen diese oft selber nicht, wo Rassismus herkommt, wo man diskriminiert, wer diskriminiert und wer diskriminiert wird. Auch kann Interesse, Zeit oder die eigene Sensibilität zum Thema Rassismus fehlen, um hilfreich antirassistisch zu sein und es beizubringen.

Man sollte schon im Kindergarten spielerisch, aber bewusst mit dem Rassismusunterricht anfangen. In der Schule sollte es weiter thematisiert werden. Zwar gibt es Projekte wie das Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, die sich gegen Rassismus an Schulen einsetzen, doch es reicht nicht, ein solches Schild an die Schule zu hängen oder einzelne Projekte angeboten zu haben.

Es liegt in der Verantwortung der Lehrenden, die jungen Menschen im Hinblick auf (Alltags-)Rassismus zu sensibilisieren und diese kritische Bewusstseinsbildung den Kindern und Jugendlichen oder ihren Eltern nicht selber zu überlassen. So sollte neben der üblichen Lehrkompetenzen im Lehrplan Rassismusunterricht ein weiterer Schwerpunkt sein. Dazu fehlen auch Maßnahmen, die Lehrende für unterschiedliche Formen von Rassismus sensibilisieren sollen und ihnen zeigen, wie sie ihre eigenen rassistischen Denkmuster entdecken und überarbeiten können.

Der erste Schritt ist es, sich einzugestehen, dass Rassismus existiert. Sei es im Kindergarten, wo Kinder unterschiedlicher Herkünfte zusammenkommen, oder in Schulen, wo Ungleichheitsstrukturen deutlicher werden. Rassismuserfahrungen werden unter den Kindern und dem Lehrpersonal gesammelt.

Kinder mit weiteren Sprachkenntnissen wie Türkisch, Arabisch oder Russisch werden oft abgewertet, während es meist positiv gesehen wird, wenn Kinder neben Deutsch weitere europäische Sprachen beherrschen. Kinder mit gleichen Leistungen, aber unterschiedlichen ethnischen Herkünften werden oft unterschiedlich benotet. Schüler müssen bessere Leistungen an den Tag legen, damit sie als gleichwertig betrachtet werden. Kindern wird bei gleicher Leistung oft eine schlechtere Empfehlung für die weiterführende Schule empfohlen. Kinder und Jugendliche werfen sich oft in den Pausen diskriminierende Äußerungen zu. Das alles ist uns durch Studien, Nachrichten und eigenen Erfahrungen bekannt.

Es wundert, dass sich an dieser Situation wenig bis nichts ändert. Und wir dabei zusehen, wie sich Rassismus weiterentwickelt, weiter praktiziert wird. Es wird nicht genügen, dass sich einzelne Kinder und Schüler gegen Rassismus einsetzen. Um Rassismus heute und in der Zukunft zu reduzieren, müssen wir die Zukunft unserer Gesellschaft, die Kinder, für Rassismus sensibilisieren. Daher ist es eine Pflicht, in Kitas und Schulen Rassismus zu erkennen und dort aktiv gegenzuarbeiten. Ein ernsthaftes Angehen des Rassismus ist notwendig, um ein Miteinander auf Augenhöhe aller anzustreben.