Autisten verlieren ihr Zuhause

Die acht Autisten des „Hauses Karfunkel“ an der Von-der-Goltz-Straße müssen aus rechtlichen Gründen ausziehen.

Wuppertal. Es ist zwar erst in fünf Jahren so weit, doch das Ereignis wirft bereits heute seine Schatten voraus. Acht schwerstbehinderte erwachsene Autisten, die in einem Altbau aus den 1920er Jahren in Vohwinkel wohnen und betreut werden, müssen bis dahin ihr „Haus Karfunkel“ verlassen.

Der Grund: ein Gesetz, das die Ausstattung von Behinderteneinrichtungen neu regelt. „Die Bewohner müssen das Haus, in dem einige seit 1989 wohnen, verlassen, da es nach dem neuen Wohn- und Teilhabegesetz nicht mehr behindertengerecht ist“, sagt Heimleiterin Nuschin Yekrangi vom Verein Autismus Wuppertal.

„Zudem steht der Altbau unter Denkmalschutz, so dass wir auch nichts am Mauerwerk verändern dürften“, ergänzt sie.

Ein Neubau auf dem vereinseigenen Gelände an der Werderstraße soll das neue Zuhause werden. Für die acht Bewohner zwischen 30 und 50 Jahren, die vom spätestens Ende 2017 anstehenden Umzug noch gar nichts wissen, ist das eine besonders schwierige Situation.

Denn eines der charakteristischen Merkmale der Entwicklungsstörung „Autismus“ ist die entscheidende Bedeutung von Routinen und Ritualen im Leben der Erkrankten. Schon kleinste Veränderungen führen zu Beunruhigungen. Größere können sogar Aggressionen auslösen.

„Für sie wird wohl eine Welt zusammenbrechen“, sagt Pfleger Frank Scheid, der die Bewohner seit elf Jahren im Haus betreut. „Schon als einmal ein Bild woanders aufgehängt wurde, gab es heftige Konflikte. Wir hoffen, dass wir sie peu à peu auf die Situation, die nun einmal eintreten wird, vorbereiten können“, sagt Scheid.

Was wäre, wenn eine Ausnahme doch die Renovierung des Altbaus ermöglichen würde? „Eine Ausnahme ist wohl ausgeschlossen und zudem kann in so ein altes Haus auch kein Aufzug oder ein weiteres Badezimmer mehr eingebaut werden. Solche Renovierungen würden wohl auch noch größere Schwierigkeiten bringen “, sagt der Pfleger.

Viele der Bewohner kämen aktuell zwar noch zurecht, zum Beispiel mit dem täglichen Treppensteigen. Doch langfristig gesehen werde es nach Einschätzung von Heimleiterin Yekrangi immer schwieriger. „Bei unseren Autisten, die alle zusätzlich eine geistige Behinderung haben, setzt der Prozess der Vergreisung auch deutlich früher ein.“

Daher sei ein neues Haus, das den Gesetzen entspricht, notwendig. Der geplante Nebau, der neben einem Aufzug, barrierefreien Räumen auch mit behindertengerechten Badezimmern ausgestattet sein soll, kostet laut Vereinsvorstand Karin Westphal eine Million Euro. 300 000 Euro sollen aus Spenden finanziert werden.