Wuppertal „Wie wichtig diese Arbeit ist, zeigt sich im persönlichen Kontakt“
Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher hielt am Landgericht im Rahmen der Ausstellung zu Justiz und Nationalsozialismus einen Vortrag.
Da wo Recht gesprochen wird, wurde dieses zum Thema gemacht: Im Foyer des Justizzentrums wird noch bis zum 31. März die Wanderausstellung „Justiz und Nationalsozialismus“ gezeigt. In diesem Rahmen sprach Birgitta Radermacher, Regierungspräsidentin im Regierungsbezirk Düsseldorf, zum Thema „Wiedergutmachung von Naziunrecht – gestern und heute“.
Zuvor beschäftigte sich, nach einleitenden Worten von Landgerichtspräsidentin Annette Lehmberg, Prof. Wolfgang Baumann, Vorsitzender der Bergischen Juristengesellschaft, in einem Impulsreferat mit Aspekten zu Moral, Recht und Unrecht sowie deren schwieriger Abgrenzung voneinander.
Moral und Recht unterlägen unterschiedlichen Wertekategorien. Die moralischen Vorstellungen seien geprägt von sozialer und kultureller Entwicklung und Umgebung, das Recht gebe Handlungsanweisungen vor und verhindere staatliche Willkür.
Am Beispiel des Nationalsozialismus verdeutlichte er, welche Auswirkungen die Abschaffung des Rechtsstaats und die Aufhebung der Grenze zwischen Moral und Recht haben können. Politische Macht müsse nach Recht, nicht nach Moral ausgeübt werden, die Normen der Moral könnten keinen Rechtsrahmen bilden.
Er sehe die ordnende Funktion des Rechts und unabhängige Gerichte als Grundlage für unseren Rechtsstaat. Die Problematik des Rechtsbegriffs sprach er an, denn Recht werde von Menschen definiert und trage auch immer Teile des Unrechts in sich. Auch Unrechtsstaaten beriefen sich auf das Recht, nie auf das Unrecht.
Fehlende Nachweise
erschwerten die Antragstellung
Mit zwei prominenten Beispielen beendete Birgitta Radermacher ihren Vortrag. Sie zeigte aus dem Wiedergutmachungsarchiv ihrer Behörde die Karten von Albert Einstein und Konrad Adenauer als Anspruchsberechtigte. Kann man entstandenes Unrecht wiedergutmachen? Schon den Begriff „Wiedergutmachung“ definierte sie als schwierig, zitierte Theodor Heuss und Konrad Adenauer. Man tat sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges schwer damit.
Das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) wurde 1956 rückwirkend zum 1. Oktober 1953 verabschiedet, erfasste jedoch nicht alle von den Nationalsozialisten Verfolgten. Radermacher erläuterte das Problem der Ausgrenzung von zum Beispiel Sinti und Roma, Zwangsarbeitern und Behinderten. Weltweit zerstreute Betroffene und fehlende Nachweise erschwerten eine Antragstellung und führten zur Fristverlängerung bis 1969.
Wie eng die Vorstellung von Recht und Unrecht beieinander liegen kann, zeigte sie am Beispiel Homosexueller. Bis 1976 wurden sie strafrechtlich verfolgt, bis dahin nach geltendem Recht nicht entschädigt. In den 1980er Jahren änderte sich das Bewusstsein für die bis dahin Vergessenen. Seit 1993 können während der NS-Zeit verfolgte Einwohner aus NRW, die keine Entschädigung erhalten haben, Beihilfen beantragen, eine freiwillige Leistung des Landes.
Zugrunde liegen die Härtefonds-Richtlinien, Anlaufstelle ist die Bezirksregierung Düsseldorf. Es gebe eine steigende Nachfrage, so Radermacher, weil zum Beispiel in Rumänien weitere Bezirke als Ghetto anerkannt worden seien.
Sie berichtete von Zahlungen bis nach Südamerika und gab Einblicke in einzelne Schicksale. „Wie wichtig diese Arbeit ist, zeigt sich oft im persönlichen Kontakt.“