Vortrag Bürgerticket: „Es fehlt an politischem Willen“
Beim Vortrag in der Citykirche waren sich die Vortragenden einig: Das Bürgerticket ist gut - an der Umsetzung hapert’s aber.
Wuppertal. Für viele Studenten an deutschen Universitäten ist es Teil des Studiums, den Öffentlichen Personennahverkehr nutzen zu können. Denn an vielen Unis zahlen die Studierenden einen Teil des Semestergebühren für den ÖPNV in der Kommune und dem Land mit - und nutzen so ein Bürgerticket im Kleinen.
Gregor Waluga, ehemaliger Doktorand am Wuppertal Institut und laut Moderator Oscar Reutter vom Wuppertal Institut der renommierteste und aktuelleste Forscher zum Thema Bürgerticket, stellte am Dienstagabend seine Doktorarbeit zum Thema vor. Bei dem Semesterstart der Vortragsreihe Tranformationstandem referierte er über die Relevanz des Themas, die Finanzierung und das Real-Experiment, das Grundlage seiner Arbeit war.
Das Bürgerticket ist ein Ticket für Bus und Bahn in einem bestimmten Bereich, das durch möglichst alle Bürger finanziert werden soll. Um zu testen, wie die Akzeptanz dafür aussieht, hat Waluga drei Gruppen aus je 14 Personen zusammengestellt und denen mit Hilfe von WSW und VRR Pauschaltickets für 27 Euro je Monat für die Dauer von drei Monaten angeboten — ohne sie wissen zu lassen, dass sie an einem Experiment teilnehmen.
Das Ergebnis: Die Probanden haben deutlich öfter Bus und Bahn genutzt (von zehn auf 34 Prozent) und dafür das Auto stehen lassen (von 73 auf 55 Prozent) — wer ein Ticket hat, der nutzt es offenbar auch.
Und das sei einer der wichtigsten Aspekte des Bürgertickets, erläuterte Waluga. Denn es sollen weniger Autos fahren und damit weniger CO2 ausgestoßen werden, mehr Platz in der Stadt entstehen, mehr Busse und Bahnen fahren.
Waluga sagte, es sei ein Trugschluss, dass die Bürger nicht für den ÖPNV zahlen wollten. Aber das Angebot müsse dafür auch besser werden. „Um 20 Prozent mehr ÖPNV-Nutzung zu erreichen, müssen 50 Prozent mehr Busse fahren.“
Was dafür wichtig sei, sei eine solide Finanzierung, betonte Waluga. Bisher werde der ÖPNV in Wuppertal durch öffentliche Mittel, Querfinanzierung durch die Energiesparte der WSW und die Erlöse von Bus und Bahn finanziert. Wie und in welcher Höhe die Bürger eine der Säulen auffangen könnten, müsste diskutiert werden, sagte Waluga. „Administrativ ist die Umsetzung kein Problem, die Politik muss es aber wollen.“ Waluga plädierte für eine Machbarkeitsstudie für Wuppertal. „Wir sollten die Umsetzung hier prüfen lassen.“
Davon ist auch Jan Niko Kirschbaum von der Bürgerticket-Initiative Wuppertal überzeugt. Er stellte die Vorteile eines Bürgertickets heraus, für das er sich schon seit 2012 einsetzt.
Zwar hieße es immer, der ÖPNV sei ein Verlustgeschäft für die WSW — das sei aber nur durch die fehlenden Stromkunden begründet. Vor allem sei keinem bekannt, wie viel Verlust die Stadt durch Autos und die Kosten mache. An sich biete der ÖPNV ein Plus für alle.
Eine Kölner Studie gehe von einem Plus von 5,30 Euro pro investiertem Euro in den ÖPNV aus — durch weniger Stau, mehr Arbeitsplätze, sauberere Luft und weniger Krankheiten. Vor allem gebe es weniger Verletzte durch Busse und Bahnen als durch Autos.
Auch würde ein Bürgerticket das Tarifsystem vereinfachen — ganz ohne Tarife, Waben und Geltungsbedingungen. „Es gibt 26 verschiedenen Fahrkarten, mit denen Sie hier hergekommen sein können — haben Sie das günstigste gewählt?“, fragte Kirschbaum die etwa 40 Anwesenden in der CityKirche, um auf den Tarifdschungel aufmerk am zu machen.
Moderator Oscar Reutter vom Wuppertal Institut, betonte, dass es gerade eine Wechselstimmung gebe, auch weil viele junge Menschen nicht mehr zwingend ein Auto haben wollten. Das sei eine Chance. Das sagte auch Kirschbaum: „Wenn wir es schaffen, das Auto nur etwas zu verdrängen, dann schaffen wir die Verkehrswende“ — und damit auch mehr Platz für die Bürger, für Kinder, für die Umwelt in der Stadt.