Bergische Wirtschaft Corona: Hohe Einbußen bei Wuppertaler Reisebüros
Die Reisebranche boomte in den vergangenen Jahren. Für viele Deutsche gehörte der Urlaub so selbstverständlich zum Jahr wie Ostern und Weihnachten. Häufig füllten sie nicht nur einmal im Jahr die Hotels und Strände auf Mallorca, in Griechenland und in der Türkei.
Doch die „Reiseweltmeister“ von einst sind durch Corona zurückhaltender geworden. Das bekommen auch die Reisebüros in Wuppertal zu spüren. „Wir gehen davon aus, dass wir einen Verlust von 70 Prozent haben werden“, sagt Michael Hommel, Mitinhaber des Reisebüros am Laurentiusplatz. Es habe sich in den vergangenen Monaten in den Köpfen festgesetzt, dass man nicht reisen sollte. Die Auflagen seien für die Kunden häufig unklar, so dass sie nicht wüssten, was sie tun müssen, um in das Urlaubsland zu kommen, und welche Auflagen sie erfüllen müssen, wenn sie wiederkommen.
„Wir geben unseren Kunden Aufklärung an die Hand und beraten sie“, sagt Hommel. Das Problem sei, dass viele Reisewillige erst gar nicht kämen. Es werde nur Angst verbreitet, sogar in Medien, die als seriös gelten, findet er. Dabei sei es im Ausland teils sicherer als in Wuppertal. Griechenland habe die Saison bis Ende November verlängert, auch die Kanaren könnten bereist werden. Sie gelten seit dem 24. Oktober nicht mehr als Risikogebiet. Corona habe für Reisende auch gute Seiten. „In den einzelnen Ländern werden die Hygienevorschriften umgesetzt, so dass man mehr Platz am Pool, im Restaurant und am Strand hat“, sagt Hommel. Die Einschränkungen hielten sich in Grenzen: In den Hotels müsse man auf den Gängen bis zu seinem Zimmer einen Mundschutz tragen.
Auch auf Kreuzfahrtschiffen gebe es sehr strenge Auflagen. „Auf der Aida sind zurzeit nur die Hälfte der Passagiere unterwegs“, sagt Kirsten Fittau, Inhaberin des Langerfelder Reisebüros. Zudem werde vor und nach jedem Landgang Fieber gemessen. Doch die Maßnahmen überzeugen nicht genug Kunden, um wieder zu reisen. „Für dieses Jahr haben wir keine Buchungen mehr“, sagt Fittau. Die Provisionen, die sie zurückzahlen musste, wurden durch die Überbrückungshilfen des Bundes ersetzt. „Wie es weitergeht, ist sehr ungewiss“, sagt sie. Es gebe zwar schon einige Kunden, die für den nächsten Sommer buchten, aber man wisse noch nicht, ob die Reisen stattfinden. Sie empfiehlt, über ein Reisebüro zu buchen, weil die Kunden dann einen Ansprechpartner haben, der die Reise im Fall einer Stornierung abwickle.
Nach Ende der Förderung könnten Insolvenzen kommen
„Die Stimmungslage in der Region ist desolat“, sagt Jasper Rust, Referent für die Dienstleistungswirtschaft bei der Bergischen IHK. Er betreut unter anderem die Reisebüros in Wuppertal. Lag der Geschäftsklimaindex im September 2019 noch bei 2,9, ist er im September dieses Jahres auf minus 69 abgerutscht. „Es gibt die Andeutung, dass die Überbrückungshilfen des Bundes bis Mitte des nächsten Jahres verlängert werden“, sagt Hommel. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass es eine Insolvenzwelle gibt, sobald die Förderungen auslaufen.
Die erwartet auch der Deutsche Reiseverband (DRV). „Die Situation in der Reisewirtschaft ist existenzbedrohend. Knapp 70 Prozent der von uns jüngst befragten Reisebüros sehen sich massiv in ihrer Existenz bedroht“, sagt Torsten Schäfer, Leiter der Pressestelle. Die deutsche Reisewirtschaft, in der mehr als 100 000 Menschen in Reisebüros und bei Reiseveranstaltern beschäftigt sind, sei auf ausländische Ziele angewiesen. Aber immer neue Regionen würden zu Risikogebieten erklärt. „Es muss Schluss sein mit dem Wirrwarr für Reisende und Reisebüros“, fordert Schäfer. Das Bashing müsse aufhören, dass Reiserückkehrer für die Ausbreitung des Virus verantwortlich sind.
„Rückkehrer aus dem Familienurlaub im Kosovo oder Albanien tragen Covid-Infektionen nach Deutschland. Das sind keine klassischen Reiseländer der Deutschen“, sagt er. „Im Urlaub kommt es genauso wie zuhause darauf an, wie man sich verhält und ob Menschen die notwendigen Regeln einhalten: Abstand halten, Mund und Nase bedecken und Hände waschen“, sagt Schäfer. Diese Fakten ignoriere aber die Bundesregierung. Der Verband fordert aus diesem Grund „eine abgestimmte Test-Strategie für Reiserückkehrer, damit das Reisen auch in Corona-Zeiten wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren kann.“
Die Landesregierung NRW hat bis zum 30. November dieses Jahres touristische Übernachtungen verboten. In der aktuellen Corona-Schutzverordnung heißt es dazu: „Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken, die nach dem 29. Oktober angetreten worden sind, sind bis zum 30. November untersagt.“ Auch zahlreiche Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein und Bayern, haben aktuell verfügt, dass Touristen bis zum 2. November abreisen müssen.