Die hohe Kunst des Umgangs mit Geld
WZ-Kolumnist Uwe Becker über Möglichkeiten, Eintrittspreise und Co. wiederzubekommen.
Meine Affinität zu Geld wurde mir bereits in die Wiege gelegt. Wenn die Erzählungen meiner Mutter stimmen, und daran zweifele ich nicht für fünf Pfennige, habe ich als Baby nie in die Windeln gemacht, sondern mich immer kurz vorher gemeldet. Da es zu meiner Kinderzeit noch keine Einwegwindeln gab, musste meine Mutter nicht so viel Geld für Waschpulver ausgeben. Als ich in die Schule kam, nahm ich von meinen Klassenkameraden zunächst 10 Pfennig Begrüßungsgeld. Kinder, deren Eltern nur bescheidene finanzielle Mittel zur Verfügung standen, erlaubte ich eine zinsfreie Ratenzahlung — ich war ja kein Halsabschneider.
Begrabt mein
Herz in Wuppertal
Im dritten Schuljahr überzeugte ich einige meiner Mitschüler davon, mir langfristig 20 Prozent ihres Taschengeldes zu überlassen, um es für sie gewinnbringend in der Spielzeugindustrie anzulegen. Im vierten Schuljahr „gründete“ ich in meiner Klasse den Verein „Kinder helfen Kindern“. Der Mitgliedsbeitrag betrug 50 Pfennig im Monat. Die Frage einer neugierigen Mitschülerin, welchen Kindern wir denn helfen wollten, wurde von mir nie abschließend beantwortet. Die Zeit spielte mir damals in die Karten, irgendwann wurde nur noch gezahlt und nicht mehr gefragt.
Wenn ich mit meiner Mutter einkaufen ging, legte ich einige Dinge aus dem Einkaufskorb wieder zurück ins Regal, und ersetzte sie durch gleiche aber preiswertere Produkte. So sparte meine Mutter Geld für meine spätere Zukunft, ohne es zu bemerken. Die eingesparten Münzen entnahm ich später ihrem Portemonnaie und transferierte sie in eines meiner Sparschweine, die ich gut sichtbar in unserer Vier-Zimmer-Wohnung aufgestellt hatte. Gottlob machte sich mein Bruder nichts aus schnödem Mammon, daher überließ er mir wöchentlich sein Taschengeld, wenn ich mit einem meiner Sparschweine vor ihm stand und um eine kleine Spende für „Kinder in Afrika“ oder „Erdbebenopfer in Indien“ bat.
Wenn mir einmal die Ideen für Geschäfte mit großen Renditen ausgingen, weinte ich leise vor mich hin, dann nahm mich meine Mutter in ihre Arme und fragte: „Was hast du denn, warum bist du so traurig?“ Ich erzählte dann, dass mich ein Junge in der Schule geschubst hätte oder der Lehrer wieder ungerecht war. Wenn mich meine liebe Mutti genug getröstet hatte, fragte ich mit tränenerstickter Stimme, ob ich mir ein Eishörnchen kaufen dürfte. Meine Mutter bemerkte dann resignierend: „Du bist mein Groschengrab!“ Ich genehmigte mir dann natürlich nur eine Kugel Eis, die anderen 10 Pfennig wanderten ins Sparschwein.
Ich versuchte auch Witze, die mir meine Tante Grete auf Familienfeiern erzählte, auf der Straße an fremde Leute zu verkaufen. Die meisten Menschen kannten die Witze aber schon und waren daher zahlungsunwillig. Wenn ich mir mal etwas kaufen wollte, drehte ich den Groschen nicht nur zweimal um, sondern so lange, bis alle Geschäfte wieder geschlossen hatten. Manchmal überredeten mich Freunde zu einem Kinobesuch. Anschließend behauptete ich, der Film hätte mir nicht gefallen und bat um Erstattung des Eintrittspreises. Schlimm, oder?
Nein, liebe Leser, in Wahrheit bin ich natürlich sehr freigebig, großzügig im Schenken, und immer gerne bereit, anderen etwas zu geben.