Wuppertal Die neue Heimat im Sucher
Der Syrer Bassam Bakleh lebt seit einem Jahr im Tal und hält seine Eindrücke mit einer Kamera fest — um die Schönheit der Stadt zu würdigen.
Wuppertal. „Wenn ich eine schöne Stelle sehe, bin ich zwei Tage später da.“ Dann macht Bassam Bakleh gleich eine ganze Serie von Bildern — von der Schwebebahn, von Radfahrern, von Tauben auf einem Stadtplatz, von seiner Tochter Sedra (9). Und immer wieder von den schönen Blicken über die Dächer der Stadt. Er würde gern auch bewegte Bilder produzieren, aber noch kann er sich keine Videokamera leisten.
Viele Jahre hat er in Dubai für einen Fernsehsender gearbeitet, hat Bilder von Politik, Sport, Musik, „über alles mögliche“ produziert. Als seine Frau über seine viele Abwesenheit klagte, zog die Familie zurück nach Damaskus in Syrien. „Und dann begann der Krieg“, erklärt Bassam Bakleh.
Arbeit als Kameramann fand er nicht, stattdessen arbeitete er im Archiv eines schließlich staatlichen Energie-Unternehmens. Und bemerkte, dass er als sunnitischer Moslem in einer wichtigen Position nicht gern gesehen war. Als ein Kollege in einer ähnlichen Situation getötet wurde, entschloss er sich, das Land zu verlassen.
Er ging zunächst wieder nach Dubai, aber dort sei er als Syrer nicht mehr willkommen gewesen, sagt er. Also entschied er sich für Europa, zahlte 9000 Euro und ging die ganze Strecke zu Fuß — „es war eine Katastrophe, das werde ich nie vergessen“. In Serbien saß er drei Tage im Gefängnis, in Ungarn zwei Tage, „wir mussten leben wie Hunde“. Immer wieder musste er Geld zahlen, um weiter zu kommen.
2014 kam er in Dessau an, sein Asylgesuch wurde anerkannt, dann konnte er auch seine Frau und seine drei Kinder nach Deutschland holen. Weil seine Frau Verwandte in Wuppertal hatte, zogen sie 2015 ins Bergische.
Die Kinder gehen zur Schule, die Eltern lernen Deutsch. Und Bassam Bakleh möchte gern arbeiten. Aber alle Bewerbungen bisher hatten keinen Erfolg. „Sie sagen, dass sie sich später melden“, berichtet er, hat bisher aber nie wieder etwas gehört. Sein Nachteil: Er hat keine formale Ausbildung als Kameramann, nur viele Jahre Erfahrung. So wie ihm gehe es vielen Landsleuten: „Die Arbeitgeber hier wollen eine Ausbildung, aber wir haben keine. Das ist ein Problem, dafür muss man eine Lösung finden.“
An seinen Sprachkenntnissen arbeitet er. Erzählt, dass sein Vater drei Monate nach seiner Ankunft in Deutschland anrief und fragte, ob er nun Deutsch könne. Er musste den Vater auf später vertrösten, nahm aber das Angebot einer alten Dame gern an, täglich mit ihr im Café sein Deutsch zu trainieren. Jetzt wartet er auf den nächsten Sprachkurs. Die Prüfung für das Sprachniveau B1 hat er im Mai abgelegt. Um weiter zu üben, redet er viel mit Deutschen. „Wenn ich sie langsam anspreche, bekomme ich auch langsame Antworten. Das gefällt mir.“
Er spricht gern über Deutschland, weiß einiges über seine Geschichte, bewundert die Trümmerfrauen und die Schönheit des Landes. Kurz nach seiner Ankunft sei er mit dem Zug von München nach Bremen gefahren, habe die ganze Zeit staunend am Fenster gesessen. „Das kennt keiner“, glaubt er. Er habe früher nur von München, Frankfurt, Köln und Berlin gewusst.
Er zieht den Vergleich: Ständig liefen im Fernsehen Filme über Dubai, dafür gebe es Geldgeber. Über Deutschland und auch Wuppertal müsse man auch Filme drehen, um Touristen anzulocken. Er hat gesehen, dass andere deutsche Städte auf ihren Internetseiten auch Filme zeigen.
Auch über die aktuelle Situation macht er sich viele Gedanken. Den Neuankömmlingen müsse man das Land erklären. Dass es Zeit brauche, bis man Freunde finde. Seine Kinder habe er ermutigt, immer wieder auf die anderen Jugendlichen zuzugehen. „Wir müssen miteinander leben“, sagte er und schiebt zur Erklärung die Finger seiner beiden Hände ineinander.
Bassam Bakleh sei dankbar für Sicherheit und Freiheit in Deutschland, will gern etwas zurückgeben. Solange er keine Arbeit hat, nutzt er eine Kamera, die er geschenkt bekommen hat. Jetzt hat er begonnen, beim Seniorentanztheater ehrenamtlich zu fotografieren und zu filmen. „Das ist besser, als zu Haus zu sitzen.“ Und er spart auf eine eigene Videokamera.