Heute vor 25 Jahren: Geiselgangster halten in Wuppertal an

Am Vormittag des 18. August 1988 steuerten die Gangster Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski Oberbarmen an — zum Einkaufen.

Wuppertal. Ob und wie sich Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski an Wuppertal erinnern, wissen die beiden zu lebenslanger Haft verurteilten Männer allein. Am Vormittag des 18. August 1988 — vor 25 Jahren — steuerten die Geiselgangster von Gladbeck in einem silberblauen BMW die Berliner Straße in Oberbarmen an — zum Einkaufen. Zu diesem Zeitpunkt wurden Rösner — damals 31 Jahre alt — und Degowski (32) als Bankräuber, Mörder und Geiselnehmer gejagt.

Der Zwischenstopp in Wuppertal kam für viele überraschend. Erste Station war eine Apotheke an der Ecke Langobardenstraße: Kurz nach 9 Uhr besorgten sich die Gangster dort Verbandszeug, für eine ihrer beiden Geiseln. Wenig später betrat Rösner im Blaumann eine Bäckerei an der Berliner Straße — mit einer Pistole in der Hand. Die Verkäuferin hielt ihn für einen Handwerker, die Waffe am langen Arm für einen Akkuschrauber: „Erschießen Sie mich bloß nicht mit diesem Ding“, soll sie damals gesagt haben. Gedroht hat Rösner offenbar nicht, sondern Brötchen bestellt — zehn Stück, mit Käse und Salami belegt.

Während die geschmiert wurden, stand der Gangster in der Tür und rauchte. Dann bezahlte er: 12,50 D-Mark mit einem 50er, wollte noch frischen Kaffee mitnehmen. Das ginge nicht, beschied ihn die Verkäuferin. Die Bäckerei habe keinen Ausschank. Rösner soll gesagt haben: „Das ist ein Notfall.“ Kaffee gab es trotzdem nicht. Rösner blieb ruhig, verließ das Geschäft, stieg ins Auto zu den Geiseln und seinem Komplizen Degowski.

Ein Augenzeuge über den Fernglas-Kauf des Gangsters Hans-Jürgen Rösner am 18. August 1988 in Oberbarmen.

Offenbar hatten die beiden bemerkt, dass ihr Erscheinen an der Berliner Straße von einem gegenüberliegenden Fotogeschäft aus gefilmt wurde. Sie wendeten den Wagen, hielten vor dem Laden. Rösner stieg aus, betrat das Geschäft. Ein Augenzeuge erinnert sich: „Da war noch ein Kunde im Laden — dem schlotterten die Knie. Rösner fragte aber nur nach einem gebrauchten japanischen Fernglas aus den Auslagen.“ Der Verkäufer habe den Preis genannt — 80 Mark. Der Zeuge erinnert sich: „Es war verrückt — Rösner hatte die 80 Mark passend in der Hosentasche, zahlte und war wieder weg.“

Sekunden später habe eine Bekannte im Geschäft angerufen: „Stellt Euch vor, die Geiselgangster sind in der Stadt.“ Als Antwort kam: „Die haben hier gerade ein Fernglas gekauft.“ Zu diesem Zeitpunkt waren Degowski und Rösner schon am Werth in Barmen. Dort sollen sie einen Damenrock gekauft haben. Gegen 10 Uhr war die Atempause in Wuppertal vorbei. Mit ihren Geiseln fuhr das Duo in Richtung Köln davon.

Der Rest ist traurige Geschichte: Noch am selben Tag wurden die Geiselnehmer auf der A 3 überwältigt. Bei der Schießerei wurde die Geisel Silke Bischoff (18) tödlich getroffen. 1991 werden Rösner und Degowski zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Wie berichtet, befinden sie sich noch immer im Gefängnis. Ob und wann sie freikommen, ist offen.

Über das Oberbarmer Intermezzo des Gladbecker Geiseldramas wollen die damals Beteiligten 25 Jahre danach eigentlich nicht mehr sprechen. Ein Augenzeuge zur WZ: „Es reicht.“