Neue Podcast-Serie “Ausgezeichnetes Wuppertal“ Informatiker erhält Auszeichnung: Wie KI Qualität vorhersagen kann

Wuppertal · Informatiker Hasan Tercan hat Fertigungsprozesse untersucht – von der Fabu wird er dafür nun ausgezeichnet.

Fabu-Preisträger Hasan Tercan war im Podcast-Gespräch.

Foto: Andreas Fischer

Wenn ein Produkt in der Industrie hergestellt wird, muss es qualitativ hochwertig sein und verschiedenen Qualitätsstandards entsprechen. Wenn erst nach der Produktion auffällt, dass das Produkt mangelhaft ist, kostet das Zeit und Geld und ist wenig nachhaltig. Informatiker Hasan Tercan hat in seiner Doktorarbeit ein Modell entwickelt, wie eine Künstliche Intelligenz (KI) schon während der Produktion – also im laufenden Fertigungsprozess – Fehler vorhersagen kann. Dafür wird der wissenschaftliche Mitarbeiter am „Institute for Technologies and Management of Digital Transformation“ an der Bergischen Universität Wuppertal nun von der Fabu (Freunde und Alumni der Bergischen Universität) ausgezeichnet – er erhält für seine Arbeit den zweiten Preis in der Kategorie Promotionspreise.

Informatik ist für viele Menschen ein böhmisches Dorf. Der 35-Jährige erinnert sich gern an seine eigene Schulzeit zurück, als er selbst noch nicht viel über Informatik wusste. „Ich war als Schüler keiner, der schon programmiert hat. Als ich das Studium angefangen habe, habe ich gemerkt, dass ich einer der wenigen bin, der gar nichts konnte“, erzählt er lachend. Das sei erst mal frustrierend gewesen. „Das war eine neue Domäne für mich, da man sich erst mal in eine Software hineindenken und überlegen muss, wie man einen Softwarecode programmiert.“ Wie ein Computer und eine Software funktionieren – das musste auch er zunächst verstehen.

Die Informatiker-Laufbahn
zu keinem Zeitpunkt bereut

In Darmstadt studierte Hasan Tercan, der aus Kriftel in der Nähe von Frankfurt stammt, im Bachelor und Master Informatik. Er musste sich zwischen Wirtschaft und Informatik entscheiden. Warum? „Ich hatte schon immer diesen Managertypen im Blick und konnte gut mit Zahlen umgehen“, berichtet er lachend. Er wählte die Informatik. Bereut hat er die Entscheidung nie. Auf der Suche nach einer Promotionsstelle landete er an der RWTH Aachen und folgte kurz darauf seinem Professor, der an der Universität Wuppertal einberufen wurde. Zu dritt haben sie 2018 angefangen, den Lehrstuhl Technologien und Management der digitalen Transformation aufzubauen. Inzwischen gibt es 40 Mitarbeiter.

Schon im Studium habe Tercan seine Begeisterung für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz entdeckt. Seine Doktorarbeit trägt den Titel „Auf maschinellem Lernen basierende prädiktive Qualität in Fertigungsprozessen“. Hasan Tercan kann mit einfachen Worten erklären, was er untersucht hat: „Das bewegt sich in zwei Welten. Das eine ist die Informatik mit dem Teilfeld maschinelles Lernen, also künstlicher Intelligenz (KI).“ Der Begriff sei bekannter. Auf der anderen Seite gehe es um Produktion. „Thematisch habe ich mich damit beschäftigt, wie ich KI-Methoden einsetzen kann, um die Qualitätssicherung in der Produktion zu unterstützen“, erklärt Tercan.

Er macht das an einem Beispiel deutlich: „Stell dir vor, du hast eine Fabrik. Du stellst Produkte her und musst sicherstellen, dass sie eine hohe Qualität haben.“ In Deutschland sei das in der produzierenden Industrie ein zentraler Maßstab. Unternehmen müssten die Qualität prüfen. „Häufig ist es so, dass diese Prüfung am Ende der Produktion stattfindet“, sagt Tercan. Das führe aber zu einem bedeutenden Problem: „Wenn ich einen Produktfehler identifiziere, ist es eigentlich schon zu spät.“ Im schlimmsten Fall müsse das Produkt weggeworfen werden – und das kostet Geld und Zeit. „Im schlimmsten Fall erkenne ich Produktfehler gar nicht und erst der Kunde bemerkt sie. Dann habe ich einen Reklamationsfall und Imageverlust. Vor diesem Kontext ist die Qualitätssicherung extrem wichtig“, so der Informatiker.

In seiner Doktorarbeit hat er untersucht, wie eine KI aussehen könnte, mit der es möglich ist, die Qualität der Produkte vorherzusagen – während sie gefertigt werden oder sogar bevor sie gefertigt werden. In den vergangenen Jahren sei die Industrie digitaler geworden. „Ich habe immer mehr digitalisierte Produktionsanlagen, aus denen ich Daten sammeln kann. Und Daten sind ein schönes Futter für Künstliche Intelligenzen. Das heißt, ich kann damit KI-Methoden trainieren“, erklärt Hasan Tercan. Die KI könne ihn dann beispielsweise darauf hinweisen, dass die Qualität schlecht sei und er könne gegensteuern, zum Beispiel, indem er die Temperatur in einem Prozess anpasse.

KI braucht Fehler,
um von ihnen zu lernen

In seiner Arbeit hat er sich auch die Fragen gestellt, wie er an ein KI-Modell herangehen kann, was geeignete KI-Methoden sind und wie sich dadurch ein Nutzen für die Qualitätssicherung gewinnen lassen kann. Eine große Herausforderung sei dabei gewesen, überhaupt an die Daten zu kommen. Dafür arbeitet er mit Unternehmen zusammen, die ihm entsprechende Daten liefern. Doch auch da gibt es eine Hürde: „Wenn ich einen Fehler vorhersagen will, muss ich einer KI auch Daten liefern, in denen es auch Fehler gibt. Ich kann aber nicht auf einen Ingenieur oder Qualitätsmanager zugehen und sagen, dass er bitte Fehler machen soll. Das ist nicht möglich.“

Stattdessen könne mit Simulationen gearbeitet werden, mit virtuellen Modellen, in denen Szenarien durchgespielt werden. Das geschieht beispielsweise bei Autos, bevor sie produziert und anschließend einem realen Crash-Test unterzogen werden. „So kann ich sehen, wo ich beispielsweise bei der Karosserie nacharbeiten muss. Simulationen liefern Daten. Die sind zwar nicht perfekt, aber die kann man nutzen, um ein KI-Modell zu trainieren“, erklärt der 35-Jährige.

Zwei Jahre lang hat Hasan Tercan an einem realen Produkt gearbeitet – gemeinsam mit einem Automobilzulieferer, der Windschutzscheiben herstellt. „Man denkt, dass eine Windschutzscheibe einfach nur eine Form haben muss, die auf das Auto passt. Es ist aber schwieriger, weil neue Windschutzscheiben Displays haben, die auf die Scheibe projiziert werden“, so der Informatiker. Genau in diesen Bereichen müsse die Scheibe andere Qualitätsstandards erfüllen, „sonst sehe ich das Display unscharf“, erklärt er. Also sollte während der Produktion mangelhafte Qualität erkannt und der Prozess angepasst werden. Mit Erfolg.

Hasan Tercan will der Universität als Post Doc und Leiter der Forschungsgruppe „Industrial Deep Learning“ erhalten bleiben. „Wir sind noch nicht am Ende mit unserer Forschung. Wir sehen sehr viel Forschungsbedarf. Mit immer neuen KI-Meilensteinen, wie zum Beispiel ChatGPT, gibt es immer wieder neue Fragestellungen und Bedürfnisse der Industrie“, sagt er. Das sei ein spannendes Feld. „Ich mache weiter.“