Integration im Wohnzimmer

Statt auf offizielle Ansprachen setzt ein neues Integrationsprojekt auf Kulturaustausch am Couchtisch.

Wuppertal. Eine Kooperation aus der Wuppertaler Initiative, der Vereinten Evangelischen Mission, der Stadt, der evangelischen Kirche, der Islamischen Gemeinde Wuppertal und der Türkisch Islamischen Gemeinde (Ditib) hat ein neues Projekt ins Leben gerufen. "ZusammenSetzen" heißt es und soll Menschen verschiedener Kulturen und Religionen am Wohnzimmertisch vereinen. Jeder Interessierte darf mitmachen. Reihum stattet man einander in der Gruppe Hausbesuche ab.

Nina Bramkamp: Es ist immer wichtig, wenn man zusammen lebt, dass man sich auch kennenlernt und zusammensetzt. Jeder darf kommen und den anderen Fragen stellen zu ihrer Kultur. So sollen am Ende Vorurteile abgebaut werden.

Selim Mercan: Es ist immer leichter, übereinander zu reden, wir wollen miteinander reden.

Karl Federschmidt: Es gibt in Wuppertal seit Jahren viele Formen der Begegnung, auch zwischen Religionsgemeinschaften. Die meisten sind jedoch nur auf bestimmte Interessenskreise fokussiert. Wir wollen mit der Aktion die ganz "normalen" Leute erreichen.

Mercan: Das meiste passiert immer auf der Verwaltungs- und Führungsebene der jeweiligen Organisation oder auf ihre Initiative hin. Ein Kontakt jenseits von ihnen kommt so nur selten zu Stande. Wir wollen das Thema zu den Bürgern und in ihr Privatleben transportieren.

Bramkamp: Es ist eine besondere Ebene der Kommunikation. Das Wohnzimmer ist der Lebensmittelpunkt von Familien. Die wollen wir bei den Treffen auch komplett einbeziehen.

Mercan: Man kann natürlich auch in einem Café zusammensitzen. Ein Wohnzimmer ist aber viel privater. Wenn man zu jemandem in die Wohnung kommen darf, ist man schon nicht mehr fremd. Man sieht, wie die Leute eingerichtet sind, und erkennt vielleicht schon da Gemeinsamkeiten. Die Kontakte sollen im Idealfall auch über die Treffen hinaus gehen.

Mercan: Das ist ja immer schwer bei Projekten, damit auch viele Leute zu erreichen. Ich vertraue auf Mund zu Mund-Propaganda.

Federschmidt: Wie die Umsetzung funktioniert, ist immer fraglich, aber Leute, die von diesem Projekt hörten, haben mir spontan gesagt, dass der Ansatz doch interessant sei.

Federschmidt: Diejenigen, die ohnehin schon denken, dass Integration nicht funktioniert und eine feste Meinung haben, erreichen wir wahrscheinlich damit nicht.

Bramkamp: Kern der Sache sind Interesse und Neugier. Leute, die sich selbst überzeugen wollen und nicht nur das annehmen, was ihnen von Politik und Medien vorgesetzt wird, sprechen wir an.

Mercan: Beim Tag der offenen Moscheen habe ich schon Erfahrungen mit Skeptikern gemacht. Zuerst haben die Leute Hemmungen, herein zu kommen. Anschließend sagen sie dann "Ach, ihr seid ja gar nicht so". Und da, wo ein Kontakt besteht, da gibt es auch keine Probleme.

Federschmidt: Wir wollen mit Migranten über Gemeinsamkeiten sprechen. Die Erfahrung, einen Ort zu verlassen und anderswo heimisch zu werden, gehört zu jedem Leben. Jeder hat seine Geschichte, seine Traditionen.

Bramkamp: Wochenlang wird in den Medien doch schon wieder die Integrationsdebatte geführt. Wir präsentieren jetzt einen Lösungsansatz dazu - wenn auch nur einen kleinen. Wir wollen in erster Linie etwas für Wuppertal tun.

Bramkamp: Nein. Das sehe ich gar nicht so. Thilo Sarrazin und Horst Seehofer argumentieren weder sachlich noch fundiert. Die Diskussion hat zwar gefehlt. Die Art und Weise hingegen ist indiskutabel.

Mercan: Ja, es ist immer schwierig, wenn so eine Bauchgefühl-Diskussion entsteht. Viele Araber und Türken fühlen sich dadurch ziemlich verletzt.

Mercan: Auf den ersten Blick schon. Wir müssen viel Energie reinstecken, um die Menschen vom Gegenteil zu überzeugen. Gleichzeitig ist es auch eine Chance. Dann fragen die Leute nämlich nach. Und wir können zeigen, was der Islam wirklich bedeutet.

Bramkamp: Bis zum Ende des Jahres soll es erste Besuche geben. Mehr ist nicht festgelegt. Wie das Projekt genau verläuft, kommt auf die Teilnehmer an.

Federschmidt: Im nächsten Jahr wollen wir aber gerne ein Ergebnis zeigen.

Bramkamp: Deshalb arbeiten wir mit der Künstlerin Ulrika Eller-Rüter zusammen und stellen uns vor, am Ende ein gemeinsames Werk, das die Erfahrungen widerspiegelt, zu präsentieren.

“ Am Montag findet ein unverbindliches Treffen für alle Interessierten in der "Alten Feuerwache", Gathe 6, statt. Beginn ist um 17.30 Uhr.