Kino „Im Kino ist die Gefahr durch Aerosole geringer als im Büro“

Wuppertal · Die WZ sprach mit Mustafa El Mesaoudi, Inhaber der Kinos Rex und Cinema, über die Situation der Kinos in der Coronakrise, über Popcorn und die Top-Filme im Herbst.

Mustafa El Mesaoudi, Betreiber der Kinos Cinema und Rex, und Andreas Boller, Leiter der WZ-Redaktion Wuppertal im Interview.

Foto: WZ/Otto Krschak

Herr El Mesaoudi, kommt ein neues Kinosterben auf uns zu?

El Mesaoudi: Davon zu sprechen, wäre verfrüht. Man muss schauen, wie sich die nächsten Monate entwickeln. Es war eine schwierige Zeit. Wir waren mutig, früh zu öffnen. Wir wollten wieder präsent sein und warten nun darauf, dass wieder Filme starten, die Zuschauer anlocken.

Es gibt da eine lange Liste von Filmen, die coronabedingt in der Warteschlange stehen...

El Mesaoudi: Der Start von sehr, sehr vielen Filmen ist verschoben worden. Aus Sicht der Verleiher kann ich das auch verstehen, sie wollen Sicherheit in ihrer Auswertung. Das hat sich in den Herbst geschoben, gilt bis 2021 und sogar bis 2022. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige Verleiher ihre Filme doch wieder nach vorne ziehen. Das hängt von der Entwicklung ab. Wir brauchen mehr Sicherheit. Viele Besucher trauen sich noch nicht.

Einige schöne und spektakuläre Filmen laufen schon. Wie ist die Auslastung? Sie dürfen ja nur 20 Prozent der Plätze belegen.

El Mesaoudi: Wir dürfen mittlerweile sogar schon wieder mehr, weil sich die Verordnungen öfter ändern. Im Rex im Kipdorf dürften wir den Saal mit 300 Besuchern belegen, im Cinema an der Berliner Straße dürften wir 250 Plätze füllen. Das machen wir aber nicht, denn wir lassen links und rechts von jeder Buchung einen Platz frei, weil wir für die Zuschauer ein gutes Gefühl gewährleisten wollen. So kommen wir auf eine Auslastung von 30 bis 40 Prozent.

Da ist noch Luft nach oben. Woran liegt es? Ist es denn im Kino unsicherer als anderswo?

El Mesaoudi: Es gibt eine aktuelle Studie, die müssten wir noch viel besser vermarkten. Danach ist der Aerosole-Austausch im Kino eigentlich gar nicht vorhanden. Man schaut nach vorne, spricht nicht. Im Büro wird gesprochen und zusammen gearbeitet. Es hat viel damit zu tun, dass zum Beispiel Filme wie Undine oder Berlin Alexanderplatz einen Vorlauf von einigen Wochen benötigt hätten, um sie sichtbarer zu machen. Es war wegen Corona aus vermarktungstechnischer Sicht schwierig, diese Filme bekannt zu machen. Deshalb schmeißen wir diese Filme auch nicht aus dem Programm, obwohl die Besucherzahlen nicht mehr stimmig sind. Wir sind den Verleihern dankbar. Die Auslastung könnte aber besser sein.

Sie haben statt neuer Filme einige Klassiker gezeigt, wie „Spiel mir das Lied vom Tod“. Da bot der Tod des Komponisten Ennio Morricone den Anlass. Ein solcher Film lebt von der großen Leinwand. Sollte man das nicht öfter machen?

El Mesaoudi: Das ist eine Chance, und die nutzen wir gerade auch. Die Leute, die den Film jetzt im Cinema auf der zweitgrößten Leinwand in Wuppertal gesehen haben, waren begeistert. Im Kino hatten ihn viele noch nicht erlebt und es hat sie gepackt. Die Leute müssen den Unterschied erfahren. Wenn sie einen solchen Film im Kino erleben, ist das noch einmal eine ganz andere Sache. Es ist unser Job, das zu kommunizieren. Wir haben auch in der Black-Lives-Matter-Reihe einige ältere Filme gezeigt, so zum Beispiel „Wer die Nachtigall stört“ mit Gregory Peck. Wir müssen mit dem Publikum im Austausch sein und arbeiten gerade an Voting-Tools.

Ist es eine Kostenfrage, wenn Sie Klassiker präsentieren wollen?

El Mesaoudi: Die Herausforderung für uns sind die Filmrechte. Gibt es für sie noch einen Verleih? Von den Kosten her ist der Aufwand vergleichbar mit einem Neustart, bei den Abgaben ist es noch ein wenig günstiger.

Der Umsatz wird nicht nur über den Kartenverkauf erzielt, sondern auch darüber, was im Kino konsumiert wird. Darf im Kino überhaupt wieder gegessen und getrunken werden?

El Mesaoudi: Wir verkaufen Getränke in Flaschen, da gibt es keine Probleme. Popcorn zu verkaufen, war früher einfacher. Wir bieten es frisch hergestellt in einer verschlossenen Tüte an.

Disney schickt den Film Mulan direkt ins Streaming. Ist das nur ein Ausreißer?

El Mesaoudi: Das ist eine neue Qualität, die Nachricht hat mich überrascht, weil der Film im Kino sehr gut funktioniert hätte. Ich bin ein wenig enttäuscht vom Verleih, weil er sich nicht getraut hat, einen Film regional herauszubringen. Das war früher üblich, wurde in der Ära der weltweiten Kinostarts aber wohl verlernt. Der Film hätte auch unter den jetzigen Vorgaben zwei, drei oder vier Millionen Besucher in Deutschland haben können. Das bereitet mir Sorge, aber Kino ist für weit über 80 Prozent Umsatz verantwortlich, den ein Film machen kann. Daher werden die Verleiher schnell wieder die Filme im Kino starten, wenn es mehr Sicherheit gibt. Im Herbst kommt der neue James Bond, für den wir im Vorverkauf im April schon so viele Karten verkauft hatten. Der wird ab Mitte November zu sehen sein.

Der Film Tenet ist schon groß beworben worden. Läuft der auch bei Ihnen?

El Mesaoudi: Es ist ein Luxus, den ich mir erlauben kann: Ich zeige immer die Filme, die ich mag. Christopher Nolans Filme haben wir alle gezeigt: Dunkirk, Interstellar oder Batman. Auf Tenet freuen wir uns, der läuft ab dem 30. August im Rex.

Wuppertal hat eine große Kinotradition. Wie kann man das Wuppertaler Filmpublikum einschätzen: Kritisch? Schwierig?

El Mesaoudi: Wir haben ein sehr gutes, aber kritisches Publikum, es macht nicht alles mit, was wir zeigen wollen. Im Vergleich mit anderen Städten und bei einem vergleichbaren Programm werten wir in Wuppertal die Filme überdurchschnittlich aus. Bei einem Thema wie „Black Lives Matter“ kuratieren wir das Programm. Bei Filmen wie „Mississippi Burning“ oder „In der Hitze der Nacht“ mit Sidney Poitier und Rod Steiger erwarte ich kein ausverkauftes Haus, aber es war gut besucht und die Leute haben etwas mitgenommen. Ein guter Film hat bei uns immer eine Chance.

Haben Sie noch Kurzarbeit im Unternehmen? Wie ist die wirtschaftliche Situation?

El Mesaoudi: Eine erneute Verschärfung oder ein Lockdown wäre für uns verheerend. Wir sehen es mit Sorge. Mit diesen Besucherzahlen können wir nicht noch Monate weiterarbeiten. Wir sind kein Ort, der vom Staat mit hunderttausenden Euro unterstützt wird. Wir haben noch ein bisschen Luft, die Mitarbeiter sind wieder voll zurück. Optimismus ist wichtig, eine vorübergehende Schließung ist für mich keine Option.

Haben Sie die Sorge, dass die Kinos wie auch das Cinemaxx bei den Wuppertalern in den Hintergrund geraten? Kinos ziehen normalerweise in Wuppertal pro Jahr ein Millionenpublikum an.

El Mesaoudi: Kulturelle Einrichtungen funktionieren nur, wenn die Wuppertaler auch hingehen. In Frankreich, England und Italien gab es nach der Wiedereröffnung der Kinos grandiose Zahlen. Da hat man vergleichbare Besucherzahlen zum Vorjahr trotz der Beschränkungen. Es gibt in Frankreich oder in den Niederlanden eine Kinosehnsucht, weil das Kino einen wichtigen Stellenwert in der Freizeitgestaltung hat. Da wird auch mittwochs ins Kino gegangen. Bei uns tendiert alles in Richtung Wochenende. Mein Appell ist, konsumiert mehr Kultur. Viel Film im Kino macht uns auch zu besseren Menschen. Man muss nicht unbedingt zu mir kommen, gerne auch zum Cinemaxx oder ins Theater. In Zeiten von Corona und Streamingdiensten entwickeln wir uns zu Stubenhockern. Die Chips auf dem Sofa bekommt man nicht mehr abtrainiert. Eine Stadt wie Wuppertal will ich mir nicht ohne Kinos, Museum oder Theater vorstellen.