Auf ihren Bildern ist richtig was los

Die Von der Heydt-Kunsthalle zeigt vielschichtige Arbeiten von Valérie Favre.

Foto: Anna Schwartz

Wuppertal. Fantastische Figuren bevölkern Valérie Favres Bilder — Hexen mit spitzem Hut, aufreizende Theaterleute mit Totenschädeln, plastisch wirkende Uhus über einem Motorrad. Andere erinnern an Manets „Olympia“, Füsslis „Drei Hexen“ oder Davids „Tod des Marat“: Auf Valérie Favres Bildern ist richtig was los. Ansprechend sind sie obendrein, eine prächtige Schau-Ausstellung für die Kunsthalle.

„In diesen Bildern ist man sofort drin“, sagt Beate Eickhoff, die die Ausstellung kuratiert hat. In Absprache mit der Künstlerin hat sie die meisten Bilder bewusst niedrig gehängt — kein Aufschauen zur hehren Kunst, sondern Augenhöhe.

Valérie Favre, 1959 in der französischen Schweiz geboren, nutzt mit ihren Ölarbeiten eine immense Bandbreite. Das fängt scheinbar simpel beim Format an, das vom kleinen Short Cut auf 20 mal 50 Zentimetern bis zum wandfüllenden Triptychon reicht.

Im Inhaltlichen setzt sich die Vielfalt fort: Ihre Bilder scheinen eine Geschichte mit konkreten Figuren zu erzählen. Doch bei näherer Betrachtung öffnen sich in den expressiven Pinselstrichen Felder für viele Deutungen. Saugen die Hexen, von Goya inspiriert und von Favre neu interpretiert, Blut aus dem Menschen, den sie nach oben tragen — oder blasen sie ihm nur neuen Atem ein? Warum schwebt die Henkerin ohne Beine neben dem Hackklotz, warum trägt sie einen Schleier — eine Anspielung auf den IS, in dem sich Frauen ihre Unterdrückung nicht ewig gefallen lassen werden?

Favre malt auch oft mit Augenzwinkern: Wenn sie den Mord an dem französischen Revolutionär Marat in der berühmten Wanne thematisiert, setzt sie nicht nur zwei Männer ins Badewasser, sondern lässt auch noch die Mörderin Charlotte Corday am Rand sinnieren, welchen der beiden sie zuerst meucheln soll.

Fast 20 Jahre hat die Künstlerin in Paris gelebt, war Schauspielerin und Filmemacherin im Umfeld von Jean-Luc Godard. Schließlich wandte sie sich ganz der Malerei zu — aber die Themen hat sie mitgenommen wie die Bühne als Welttheater. Favre arbeitet fast immer in Serien: „Das setzt mir äußere Grenzen und gibt mir nach innen alle Freiheiten.“ Motive wie der Bühnenvorhang, die Rauten und der Tod („Ich bin in keiner Weise depressiv“) ziehen sich jedoch durchs gesamte Werk. Seit 1998 lebt sie in Berlin, lehrt an der Universität der Künste und wird international ausgestellt.

Favres Bilder wirken persönlich, thematisieren aber nicht ihr Privatleben: „Meine Arbeit ist sehr von der Politik beeinflusst. Ich versuche, meine Fragen und meine Unruhe über den Zustand der Welt zu transportieren.“ Zum Beispiel mit „Ghost (nach Olympia von Manet)“: Die selbstbewusste Nacktheit der Olympia verursachte 1863 einen Skandal, heute provoziert ein Aktbild nicht einmal mehr eine hochgezogene Augenbraue.

Die Schweizerin dreht auf ihrem Bild den Frauenkörper um, ihre Olympia liegt auf dem Bauch. Den Maler/die Malerin mit weißer Leerstelle als Kopf fügt sie hinzu. Die schwarze Dienerin mit dem Blumenstrauß kommt dem Original am nächsten — allerdings unter umgekehrten geopolitischen Vorzeichen: In der Kolonialzeit waren schwarze Diener nichts Ungewöhnliches, heute evozieren sie die Probleme des Postkolonialismus.

„Das muss man nicht wissen, um Zugang zu dem Bild zu bekommen“, sagt Valérie Fa-vre, „das ist nur das, was in meinem Kopf passiert.“