Ballroom Blitz trifft den Live Club
The Sweet ziehen angegraute Fans in Scharen an und lassen es mit ihren Oldies krachen.
Wuppertal. Teens und Twens wurden nicht gesichtet, dafür deren Eltern beziehungsweise Großeltern. Denn Retro war angesagt: Auf ihrer Finale-Tour kam die britische Gruppe Sweet erstmalig nach Wuppertal, die in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland ein musikalischer Straßenfeger war.
Ihre Poster hingen an den Wänden der Jugendzimmer. Ihre Singles wurden so oft gespielt, bis sie aus den Ohren wieder herauskamen. Ja, so war das, als sich die heutige Generation 50 plus auf den Weg machte, erwachsen zu werden.
Angegraute und grauhaarige Fans von damals kamen also in Scharen zum Live Club Barmen. „Udo Lindenberg ist auch schon 70, Status Quo sind nicht mehr die Jüngsten“, auch der Bandname Deep Purple fiel: Man fachsimpelte bereits draußen beim Schlangestehen, schwelgte in alten Zeiten. Adrett gekleidet, im lässigen Sommeroutfit oder ausstaffiert mit Sweet-T-Shirts, die Männer mit kurzen und langen Haaren, mal mit, mal ohne Zopf, jung gebliebene Freaks: Alles tummelte sich³ frühzeitig im ausverkauften Saal.
Kaum einer hatte die Song-Texte von Sweet vergessen. Von Anfang an — nach saftigem Basswummern, als es mit „Action“ losging — sangen alle mit. Von der ersten Minute an kochte die Stimmung, als die vier Jungs auf der Bühne kernige Sounds ablieferten. Ein rockiges Schlagzeug mit einer knackigen Bass-Drum (Bruce Bisland) sorgte stets für einen harten Groove. Tony O’Hora an der Heavy Guitar und am Key-board rockte so richtig ab. Frontmann Peter Lincoln, fit wie ein Turnschuh, hatte am E-Bass und dem Gesangsmikrofon nichts anderes im Sinn, als das Programm fetzig in die Herzen und Seelen des Publikums zu hämmern.
Gitarrist Andy Scott — seit 1970 dabei und nach wie vor mit langer Matte und Pony-Schnitt - traf die Licks und Riffs eins a auf dem Griffbrett. Keine Spur von Rentenalter bei den Herren. Die Plateauschuhe von einst hatten sie zwar nicht mehr an, auch den Glamourlook gab es nicht mehr. Doch die alten Songs hatten sie noch voll drauf.
„Ballroom Blitz“ als letzte der beiden Zugaben kam genau so rüber wie auf der Original-Single von 1973. Ein kleines Gi-tarrensolo als Dreingabe konnte man sich aber nicht verkneifen. Es gab wenig Neues, etwa das vor ein paar Jahren gecoverte „New York Groove“. Die Anhänger wollten ohnehin Altes hören: „The Six Teens“, „Hell Raiser“, „Teenage Rampage“ und „Blockbuster“.
Es wurde so richtig abgerockt, nicht ganz so clean wie auf den steril produzierten Scheiben von einst, dafür mit viel mehr Drive und einer satten Portion Rock ‘n’ Roll. Unplugged konnten sie es aber auch: An drei akustischen Gitarren gab es zur Freude aller Oldies wie „Papa Joe“, „Co-Co“ oder „Lady Starlight“.
Großer Respekt gebührt Sweet, weil die Musiker an Keith Emerson von der Kultband „Emerson, Lake and Palmer“ erinnerten, der am 10. März mit 71 Jahren aus dem Leben geschieden war. Den Hit „Fanfare for the Common Man“ — Original von Aaron Copland von 1942, als Adaption Emersons 1977 zum Welterfolg geführt — schoben die Vier bei „Love Is Like Oxygen“ ein: Hut ab für diese Hommage.
Viel zu schnell waren die 90 Minuten am Stück in der aufgeheizten Halle vorbei. Doch wie nach einer Frischzellenkur zogen die meisten glücklich von dannen.