Oper Das wird ein ziemlich gutes Opern-Erlebnis

Daniel Wetzel (Rimini Protokoll) inszeniert John Cages (Anti-)Oper „Europeras 1&2“.

Inszenieren „Europeras 1&2“ in der Wuppertaler Oper: (v.l.) Alexander Fahima, Katrin Wittig und Daniel Wetzel.

Foto: Fischer, Andreas (f22) H503840

„Wir sind total froh, dass sich Wuppertal diesen Spaß gönnt. Es ist ein großes Geschenk, auch für uns, ein Oberluxus“, freut sich Daniel Wetzel vom preisgekrönten Autoren-Regie-Team Rimini-Protokoll. Im Auftrag von Wuppertals Opernintendant Berthold Schneider kümmert er sich um die Inszenierung von „Europeras 1&2“, die am 2. Februar in der Oper Premiere feiert. John Cages Auftragswerk von 1987 ist eine Hommage an die europäische Oper und Anti-Oper zugleich, weil es das Format auseinander nimmt und nach dem Zufallsprinzip neu zusammenbringt.

Der US-amerikanische Komponist Cage (1912 bis 1992) gilt als einer der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. „Europeras“, das sich aus den Worten Europa und Oper zusammensetzt, ist eine fünfteilige Serie, die beiden ersten Werke daraus sind wohl seine größte und radikalste Musiktheaterarbeit – ohne Handlung, ohne eigene Komposition. Wetzel. „Es ist ein anarchisches Werk in dem Sinne, dass Cage bestimmte Narrative aufknackt und unhierarchisch wieder zusammensetzt.“ In Cages eigenen Worten: „200 Jahre lang haben uns die Europäer ihre Opern geschickt. Nun schicke ich sie alle zurück.“

Wetzel, der sich für das Wuppertaler Projekt die Bühnen- und Kostümbildnerin Katrin Wittig („Surrogate Cities/Götterdämmerung“ 2017) und den Musiktheaterregisseur Alexander Fahima dazugeholt hat, hat seine Meriten durch dokumentarische Theaterarbeiten erworben. Er betont, dass er bislang mit Oper wenig Erfahrung habe, vielleicht gerade wegen seines frischen Seitenblicks engagiert worden sei, der ihm eine andere Wertschätzung erlaube. Gewinnt während der Arbeiten für „Europeras“ immer wieder neue Erkenntnisse. So erwies sich der ursprüngliche Ansatz als unbrauchbar, Cages Zufallsprinzip als Spiel umzusetzen, wie bei einer Software, bei der einfach auf „Play“ gedrückt wird. „Wir haben gelernt, dass der Zufall etwas ist, mit dem man umgehen muss.“ So entstehe keine komplette Gleichheit der einzelnen Mittel, vielmehr reagierten sie aufeinander, es entstehe Neues, erklärt Fahima. Und Wittig ergänzt, dass die durch Cage gewonnene Freiheit auch eine Herausforderung bedeute.

Zehn Experten und zehn Solisten agieren auf gerasteter Bühne

Die Wuppertaler Inszenierung bedient sich bei Kostümen, Requisiten, Masken und Bühnenbild genreübergreifend aus dem „Gedächtnis des Hauses“. Wittig: „Wir arbeiten mit alten Bühnenbildern, mit objets trouvés, wie auch die Musik trouvée ist.“ Auf der gerasterten Bühne agieren zehn Opernsängerinnen und -sänger sowie ebenso viele „Experten“: Menschen, „deren Leben mit der Wuppertaler Oper verknüpft ist“, erklärt Wetzel. Sie arbeiten den Solisten zu, während auf Texttafeln Informationen über sie zu lesen sind. Die Solisten wiederum agieren mangels narrativen Szenenbilds gemäß Zufallsprinzip. Es wird ausgewürfelt, was sie wann, wo und wie und wie lange singen. Stimmung und Haltung passen so durchaus nicht zusammen – dennoch klappe es erstaunlich gut, wie die Proben zeigen, sagt das Trio.

Diesem eher langsamen, die Bühnenkunst live feiernden Teil 1 von „Europeras“ wird Teil 2 als riesige Videocollage vorangestellt. Wetzel: „Cage hat auch überlegt, was dieser Kontinent Europa ist.“ Man habe also Opernhäuser in Europa ausgesucht, dort an Orten, die per Zufallsprinzip ermittelt wurden, die Sängerinnen und Sänger singen lassen und dies gefilmt. So seien keine Sightseeing-Filme entstanden, erklärt Fahima, sondern spannende Momente. In Wuppertal wird aus den Aufnahmen eine Riesenvideocollage gebastelt, bei der bis zu acht Personen gleichzeitig singen.

Und weil bei Cage eben alle Tradition außer Kraft gesetzt wird und Wetzels Rimini Protokoll dafür steht, Zuschauer zu temporären Akteuren zu machen, werden sie auch in Wuppertal Teil des Spiels. Erhalten Regieanweisungen (sollen zum Beispiel flüstern, ein Bonbon lutschen oder hüsteln) – per Zufallsprinzip natürlich. Es werde ein Erlebnis mit erstaunlichen (akustischen) Erlebnissen für Operngänger und Opernlaien, verspricht Wetzel: „Das ist einfach ziemlich gut.“