„Der Drache vom Dönberg“: Ein Bürgermeister als Anti-Held
„Der Drache vom Dönberg“ feierte im Kleinen Schauspielhaus Premiere.
Wuppertal. Eigentlich ist der tapfere Ritter, der die Stadt vom gefährlichen Drachen befreien soll, ein feiges Bürschchen, das sich hinter seinem Plastik-Pump-Gun-Wasserwerfer versteckt. Und der Drache ist ein beleibter Schwerenöter mit Taucherbrille und Schwimmflossen. So sollte man alle Sorgen, die Wuppertal derzeit wie ein Drache bedrohen, sehen: als Parodie, die die ganze Misere einfach nur auf die Schippe nimmt. Auch zehn Grablichter, als Trennlinie zu den Musikern des Wuppertaler Sinfonieorchesters, aufgebaut, erinnern an die aktuelle Orchester-Fusion-Diskussion.
„Der Drache vom Dönberg“ alias „The Dragon of Wantley“, eine Opern-Burleske auf die damaligen Händel-Opern von John Frederic Lampe von 1737, hatte in der skurrilen Wuppertaler Textfassung von Johannes Blum und mit Videos von René Jeuckens und Grischa Windus im Kleinen Schauspielhaus Premiere. Und offensichtlich gilt im gebeutelten Wuppertal: Wo die Not am größten, ist die Kreativität am höchsten. Es gelingt in der Regie von Iwona Jera mühelos, die Barock-Oper aufzupeppen und mit Hip-Hop-Elementen in einen plausiblen Zusammenhang zu stellen.
Das ist schon eindrucksvoll, wie die jungen Rapper und Breakdancer (Albi Gika, Pascal Nkongo, Miguel Mavatiko, Rymon Zacharei) jeden Schnörkel und jeden Triller der barocken Zwischenakt-Musiken in ebenso grazile wie halsbrecherische Bewegung umsetzen.
Der überschäumende Witz setzt sich bis in Arien, Rezitative und Ensembles der Sänger fort: Es singt sich denkbar schlecht mit Marshmallows im Mund im Liebes-Duett von Drachen-Jäger (Christian Sturm) und Bürgermeister-Töchterchen (Annika Boos). Und als blondes, verführerisches Gretchen soll sie auch noch Roller fahrend ihre Koloraturen schmettern.
Grenzenlose Spielfreude legen die Akteure in ihre Rollen, sie glänzen durchweg mit sicheren und präsenten Stimmen und textverständlicher Artikulation. Miriam Scholz ist die rachsüchtige verlassene Geliebte des tatenlosen, den ganzen Tag herumhängenden Helden, Miljan Milovic der überforderte Bürgermeister, der die Stadt retten soll.
Bei Kostümen und Bühne spart Dorien Thomsen nicht an Details: Könige (mit Krone) sind sie alle, nur der Drache (Thomas Schobert) trägt weiße, platte Bademützen-Locken wie zur Händel-Zeit.
Die nur manchmal funktionierende Wuppertaler-Regen-Macher-Dusche oder die informierende und die Handlung ironisch kommentierende Übertitelung lösen Heiterkeitsstürme aus. Und die Wuppertaler Sinfoniker, zwecks Stereo-Effekt auch auf dem oberen Gang positioniert, bringen die zauberhaft leichte und eingängige Barockmusik unter der Leitung von Boris Brinkmann (Cembalo) unters Volk. Am Ende gibt es begeisterten Premierenapplaus und Bravo-Rufe für 105 kurzweilige Minuten.