Porträt Diese Musik muss Kinder und Erwachsene ansprechen

Der Korrepetitor der Wuppertaler Bühnen, William Shaw, schrieb die Musik zu „Der kleine Lord“ im Theater am Engelsgarten.

William Shaw in der Kulisse der Inszenierung von „Der kleine Lord“ im Theater am Engelsgarten.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Er ist 27 Jahre jung, seit der letzten Spielzeit 2018/19 Korrepetitor und Assistent der Generalmusikdirektorin Julia Jones an den Wuppertaler Bühnen und gerade unter die Komponisten gegangen. Der gebürtige Waliser William Shaw hat die Musik zur Inszenierung „Der kleine Lord“ des Wuppertaler Schauspiels geschaffen. Sein erstes eigenes Musikwerk bringt die Kollegen ins Schwärmen.

Der Geburtsort trägt einen sperrigen Namen: Llandudno heißt er und ist mit knapp 21 000 Einwohnern das größter Seebad in Wales. Hier wurde Shaw 1992 in eine Musikerfamilie hinein geboren, der musikalische Weg war also vorgezeichnet. Beide Elternteile waren hervorragende Klavierspieler und so „klimperte“ auch der kleine William gerne auf dem Instrument, wurde bereits mit drei Jahren daran unterrichtet. An der Chetham’s School of Music nahm er später sowohl klassischen als auch Jazzklavier-Unterricht und lernte weitere Instrumente: Trompete und Cembalo. Mit nur 13 Jahren machte William erneut auf sich aufmerksam, als er auf einer Tournee das zweite Klavierkonzert von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch spielte. Das Studium führte ihn nach Cardiff, wo er auch erste Erfahrungen als Dirigent sammelte, und dann nach Amsterdam. In den Niederlanden folgten erste freiberufliche Engagements als Korrepetitor, Chordirigent und Assistent. Den musikalischen Weg habe er eingeschlagen, weil es das einzige sei, was er könne, erklärt Shaw mit typisch britischem Understatement. Dass er von dort nach Wuppertal reiste, hängt mit Julia Jones zusammen, die ihn erlebte, als er in Amsterdam die Sänger in Don Giovanni am Klavier begleitete. „Sie gab mir die Chance, hierher zu kommen“, erinnert sich der Musiker.

Charmante und spezielle Geschichte mit wenig Aktion

Als Korrepetitor an den Bühnen bringt er nun am Klavier den Sängern ihre jeweilige Rolle bei, kümmert sich darum, dass jeder weiß, was er wann wie und wo singt. Er ist quasi das musikalische Pendant zum Regieassistenten. Ab und an aber steht er selbst auf der Bühne, dirigiert oder musiziert – etwa beim Liederabend im Kronleuchterfoyer. Gibt es eine Präferenz? Die hänge vom jeweiligen Stück und seiner Atmosphäre ab, ob es gut oder schlecht laufe. Sei also nicht grundsätzlicher Natur, legt sich Shaw nicht fest.

Bei seiner Arbeit am Familienstück „Der kleine Lord“ halfen ihm die jahrelangen Erfahrungen, die er mit der musikalischen Begleitung von Pantomime in Großbritannien erworben hatte. Er las das Buch und das Skript und entschied, dass er keine vorhandene Musik arrangieren, sondern etwas Neues schaffen wollte. Die Story habe wenig Aktion, der Held, Cedrik, sei einfach nur nett, habe keine Abenteuer zu bestehen. Das habe er bei der Komposition bedenken müssen und deshalb den Blick auf die Menschen um Cedrik gelenkt, dabei vor allem auf den Großvater geachtet, dessen Wandlung vom Grantler in eine nette Person die eigentliche Geschichte sei. „Das Stück ist speziell und charmant, ich konnte nur meinen Frieden machen, indem ich Eigenes schuf.“

Shaws Komposition kommt weitgehend ohne Weihnachtsschmalz der in Deutschland so beliebten Verfilmung mit Alec Guinness aus dem Jahr 1980 aus. Die sei in Großbritannien eh weniger bekannt, wehrt der Musiker ab. Etwas Schlittenglockengeläut und ein kurzes, walisisches Weihnachtslied, bei dem auch gesungen werden darf, sind die einzigen Reminiszenzen. Ansonsten habe er sich der großen Herausforderung gestellt, einerseits Kinder und andererseits Erwachsene zu unterhalten. Also einfachere und anspruchsvollere Elemente aus Jazz, mittelalterlicher, klassischer und romantischer Musik zu verbinden.

Seit einem Jahr ist William Shaw nun in Wuppertal, das Theater ist sein Zuhause, viel Zeit, um die Stadt zu erkunden, hat er noch nicht gefunden. Die Stadt müsse sehr glücklich mit seinen Bühnen sein, findet er, in vergleichbar großen Städten in Großbritannien gäbe es derlei nicht. Wie überhaupt Deutschland ein Märchenland für Theater sei. Und vielleicht, sagt er noch, werde er sich den Film doch bald anschauen – nach der Premiere könnte etwas Zeit sein.