Ein Monument der Klassik im Sinfoniekonzert

Der Kandidat für den Wuppertaler Generalmusikdirektor dirigierte ein Sondersinfoniekonzert.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. „Die Große C-Dur“ von Franz Schubert ist ein Monument der Klassik. Diese in der Ära nach Ludwig van Beethoven stehende Sinfonie (nach aktuellem Stand der Forschung seine achte) ebnete den Weg für epochale Orchesterwerke. Die „Coriolan-Ouvertüre“ ist Beethovens einzige, die tragisch endet. Und das Violinkonzert Alban Bergs avancierte in seiner etwa 80-jährigen Geschichte zu einem ganz bedeutenden Stück der Solokonzertliteratur. Diese drei Werke standen auf dem Programm des städtischen Sondersinfoniekonzerts, mit denen sich Mark Rohde als Kandidat für den Posten des neu zu besetzenden Generalmusikdirektors vorstellte.

Viele, die für die neue Besetzung zuständig sind, suchten den Großen Saal der Stadthalle auf: Mitglieder des Kulturausschusses, des Aufsichtsrats der Wuppertaler Bühne und des Findungsgremiums.

Die zahlreichen Zuhörer erlebten einen Dirigenten, der mit vollem Körpereinsatz auswendig bei Beethoven und Schubert das Sinfonieorchester Wuppertal leitete. Behände wandte er sich den Orchestergruppen zu, um ihnen dynamische Anweisungen oder Einsätze zu geben. Mal ging er in die Knie, um leise Momente zu veranschaulichen. Dann wiederum streckte er sich empor, laute Passagen signalisierend.

Diese verständlichen Signale sorgten aber nicht für ein jederzeit differenziertes Klangbild. Das lag nicht an den vorzüglich aufspielenden Sinfonikern. Der 1. Kapellmeister der Niedersächsischen Staatsoper Hannover kümmerte sich manchmal zu wenig um die Dynamiken der hinteren Orchesterabteilung (Blech-, Holzbläser, Pauke), die oft zu laut erklangen. So verschwammen manche fein durchkomponierte Strukturen.

Übergänge im musikalischen Verlauf, wenn etwa neue Themen kamen, gerieten ein wenig zu brüchig. Auch lange Pausen nahm er zu extrem. Ruhige, lyrische, melancholische, wohlig-weiche Stellen interpretierte er mit einer weitschweifigen, romantisch-weichen Tongebung: unter anderem das kantable zweite Thema in der „Coriolan-Ouvertüre“ und bei Schuberts Sinfonie das Trio im dritten Satz. Bombastisch-wuchtig kamen kraftvolle, lebensbejahende, triumphale, jubelnde Abschnitte gerade in den Ecksätzen der „Großen C-Dur“ daher.

So mangelte es den Aufführungen der beiden Kompositionen an großen Spannungsbögen, bei Schuberts etwa einstündigem Opus auch der große musikalische Impetus von der ersten bis zur letzten Note. Es verwunderte nicht, dass der Schlussapplaus nicht so begeistert war wie nach regulären städtischen Sinfoniekonzerten üblich.

Mit der Partitur vor sich dirigierte Rohde dazwischen das Requiem von Alban Berg — um nichts anderes handelt es sich bei dem Violinkonzert — seriös. Er taktierte genau und gab Tempowechsel deutlich zu verstehen. Doch auch hier wurde eine stets differenziert-durchhörbare, sensible Klangqualität vermisst. Die Sologeige wurde oft von der Bläserabteilung übertönt, obwohl ihr die tragende Hauptstimme zugedacht ist, die so gut wie immer gegenüber dem großen Orchester klar heraushörbar sein sollte. Elegische Stimmführungen, der tänzelnde Walzer, das traumhaft schöne Zitat des Chorals „Es ist genug“ aus Bachs Kantate „O Ewigkeit, du Donnerwort“ wurden deshalb nicht klar genug zum Ausdruck gebracht.

Solist Ingolf Turban präsentierte sich dabei als ein versierter Kenner und spielte dank seiner meisterhaften Technik selbst die anspruchsvollsten Abschnitte sehr intensiv und dicht. Für den herzlichen Beifall bedankte er sich als Zugabe mit einer Bach-Sarabande.