Hier spielt die Musik: Wenn das Luisenviertel zur Bühne wird
Der erste „Viertelklang“-Festival überzeugte mit Musik, Gesang, Tanz und an ausgefallenen Orten ins Luisenviertel.
Elberfeld. Wie klingt ein Stadtviertel an einem der wenigen lauen Wuppertaler Sommerabende des Jahres 2011? Einfach nur gut, wenn es Luisenviertel heißt und hier zum „Viertelklang“ geladen wurde — einer Veranstaltung des Kulturbüros der Stadt mit Musik, Gesang, Tanz und Film. An acht verschiedenen Kulturorten gab es Musikerlebnisse unterschiedlichster Art.
Eröffnet wurde der Abend von dem Weltklasse-Hornisten Arkady Shilkloper. Er beeindruckte zum Auftakt der Reihe „Ost West Kontakte“ — nach vierjähriger Pause zeigten acht Künstler aus der Region ihre Werke zum „Selbstporträt der Deutschen“ (siehe Kasten) — mit seinem Lungenvolumen. Eine halbe Stunde dauerten die jeweiligen musikalischen Beiträge, so dass den Besuchern genug Zeit blieb, um zur nächsten Darbietung im Viertel zu wechseln.
Unterschiedlich wie die Musik waren auch die Veranstaltungsstätten. Der ungewöhnlichste Ort war wohl das Finanzamt. Hier verteilte sich Partica Radicale, das fünfköpfige Ensemble für neue und improvisierte Musik, in Gängen und Treppenhaus und breitete seinen ungewöhnlichen musikalischen Klangteppich aus. Leise schwebende Töne wurden sich zugespielt, schrille Sequenzen hallten durch die Flure, und auch Diktafone kamen zum Einsatz. New Jazz mit Bernd Köppen am Piano und Andreas Bär am Saxofon erklang natürlich am „Ort“. Ihre Improvisationen verstehen sie als Musik zu Filmen, die sich in ihren und den Köpfen der Zuhörer abspielen.
Einen Stilmix verschiedener Musikelemente bot das Royal Street Orchestra in der voll besetzten Sophienkirche. Mit fetzigen Rhythmen und mitreißender Spielfreude gehörte der Auftritt der neun Musiker zu den Höhepunkten des Abends, so dass die Zuhörer am Ende bedauerten, dass die Spielzeit auf 30 Minuten pro Auftritt beschränkt war. Schade war auch, dass sich die Darbietungen durch die Fülle an Angeboten am frühen Abend zeitlich überschnitten. Alle Künstler zu erleben, war dementsprechend unmöglich.
In der Laurentiuskirche intonierte der Kammerchor Amici del Canto Wolfgang Stockmeiers „Vater unser“ vom leisen Pianissimo bis zum den Raum erfüllenden Forte. In individueller Ausführung blieben musikalische Freiräume, der Dirigent wurde so lediglich zum zeitlichen Organisator. Zum Schluss wurden die Zuhörer aufgefordert, zusammen mit dem Chor eine freie Bearbeitung von John Cages „Ear for Ear“ zu improvisieren.
Geistlicher A-cappella-Gesang mit Stücken des Mittelalters, des Barock und der Moderne erklang mit dem Perotin-Quartett in der Sophienkirche. Eine Fotoausstellung mit Blick auf dort aufgetretene Künstler im „Ort“, „Brötzmann — Der Film“ im Katholischen Stadthaus, krause Geschichten mit sonorfeo und Funke in der Buchhandlung Mackensen und vieles mehr bot der Abend. Der rege Betrieb auf der Straße, in den Kneipen und bei den Veranstaltungen zeigte, dass der Viertelklang nach seiner Premiere noch öfter erklingen sollte. Zum Abschluss erklang ein Schlafkonzert mit Martin Stürtzer und Christian Stritzel ab 1 Uhr in der Sophienkirche, wo auch übernachtet werden konnte. Originell? Ungewöhnlich? So ist es, das Luisenviertel.