Igor Levit: Der Überflieger am Piano
Bayer-Klavierzyklus in der Stadthalle.
Elberfeld. Vertreter der jungen Pianisten-Riege vorzustellen, hat sich der Bayer-Klavierzyklus auf die Fahnen geschrieben. Mit dem Höhepunkt der Saison wartete er im letzten Konzert im Mendelssohn Saal der Stadthalle auf: Beim Vortrag des Mittzwanzigers Igor Levit blieben keine Wünsche offen.
Denn so und nicht anders müssen die Werke von Beethoven, Schostakowitsch und Liszt gespielt werden, ist man beim einfühlsamen und deutenden Spiel zu denken geneigt.
In Beethovens A-Dur-Sonate (op. 101) arbeitet Levit auch die vorhandenen romantischen und in die Moderne weisenden Elemente signifikant heraus: Melodiebetont und eigenwillige Akzente setzend nimmt er den ersten Satz, den der Komponist „mit der innigsten Empfindung“ zu spielen empfiehlt.
Fast schroff kontrastiert er den zweiten, „marschmäßig“ zu spielenden Satz — nicht ohne die neckischen Passagen leicht und hüpfend herauszustellen. Kanonisch verfolgen sich die Linke und Rechte behände und in der Rückbesinnung auf den Marschrhythmus bewegen sich die Hände von den äußeren Lagen aufeinander zu.
Das Adagio dagegen gestaltet der Pianist fast träumerisch und scheut sich auch im Piano nicht vor deutlichen Zäsuren. Transparent bleibt sein Spiel auch im polyfonen letzten Satz, der Fuge und Sonatensatz brüderlich vereint.
Bei den 24 Präludien op. 34 von Dmitri Schostakowitsch zeigt Levit die ganze Bandbreite seiner Anschlagskunst: Ob streichelnd, markant oder modulationsreich durchmisst er die kleinen Charakterstücke mit überzeugendem Spiel. Kein Husten stört die Spannung, so gebannt lauscht das Publikum dem Überflieger am Piano, der bereits mit drei Jahren zu spielen begann. Ob schräge Fröhlichkeit, zärtliche Weisen oder schwermütiges Sehnen — immer spürt der Pianist dem Ausdrucksgehalt mit unbestechlicher Klarheit nach. Ganz zauberhaft gelingt das As-Dur-Largo mit Walzeranklängen, die immer übermütiger daher kommen.
Dabei kontrastiert Levit das große Tonspektrum mit dem Pianissimo so reizvoll, dass er unmittelbar die Sinne anspricht. Das gelingt ihm auch bei den Stücken aus Franz Liszts „Années de pèlerinage“ (Deuxième année: Italie). Den musikalischen Reiseerinnerungen gewinnt er einen ganz neuen, sanften Liszt ab.