Tanztheater Wuppertal Immerwährender Flirt mit dem Publikum

Die Wiederaufnahme von Pina Bauschs Stück „Wiesenland“ in der Barmer Oper wurde begeistert aufgenommen.

Mit wehenden Kleidern dreht sich das Tänzerinnen-Karussell. 

Foto: Oliver Look /Tanztheater/Oliver Look

Sie sind einander in inniger Zuneigung verbunden: die Tänzerinnen und Tänzer von Pina Bausch und das Wuppertaler Publikum. Der immerwährende Flirt beginnt gleich im ersten Moment, als Ruth Amarante die Bühne betritt, ein Tablett mit einem Gedeck und einer Blume darauf an den Bühnenrand stellt, ins Zuschauerrund lächelt, einlädt. Ein Lächeln wie das Versprechen eines Komplizen, das in den folgenden zweieinhalb Stunden eine vielfache Verstärkung auf der Bühne erfährt. Das seinen Höhepunkt im gestenreich amüsanten und ansteckenden Zwiegespräch zwischen Ophelia Young und den ersten Rängen erlebt und bis zum Schluss durch den Abend geleitet. Allein als die erschöpften Akteure den tobenden Schlussapplaus entgegennehmen, ist es aus vielen Gesichtern verschwunden. Am Wochenende wurde „Wiesenland“ in der Barmer Oper wieder aufgeführt.

„Wiesenland“ ist ein grünes Land, es erinnert an Ungarn, wo die Compagnie mehrere Wochen im Jahr 2000 verbrachte. Wiesenland ist ein nasses Land mit reichlich Wasser, das nicht nur aus Bächen, sondern auch aus Gießkannen und Plastikflaschen fließt, getrunken, gespuckt, wegen seiner Kälte gefürchtet oder zum Waschen genutzt wird. Das naturverbundene Bühnenbild besteht aus einer wuchtigen Pflanzenwand, die sich zum zweiten Teil des Stücks wie ein weiches Kissen auf den Boden legt, nach vorne zur deutlich verkleinerten Bühne eine Felswand freigibt. Die Bilder des Tanztheaterstücks sind sehr menschlich und voller Fantasie, etwas verrückt und romantisch. Inspiriert durch Budapest, seine Clubs, Jazzbars, Arbeiterviertel und Wohnstätten, verrät das Heft zur Aufführung.

 Pina hat das Erlebte in ihre unverwechselbare Handschrift übersetzt, die sich in Bewegungsabläufen, witzigen, slapstickartigen Momenten, dem Ineinanderüberschwingen der einzelnen Szenen spiegelt. Es entsteht ein wunderbarer Bilderreigen aus zarten, schwelgerischen, überbordenden und skurrilen Motiven, eine Huldigung an den Tanz, die auch nach knapp 20 Jahren ihren Zauber nicht verloren hat. Einige Szenen sind so schön, dass sie wiederholt werden. Wie das rasche Karussell der Tänzerinnen in ihren langen Kleidern, den ein Tänzer lustvoll anführt. Oder der spielerische Versuch der nebeneinander aufgereihten, lächelnden Tänzerinnen, eine Zigarette zu rauchen, während von oben Wasser auf sie herabgeschüttet wird.

„Wiesenland“ ist ein hektisches und zugleich betont langsames Stück. Die Tänzer rennen über die Bühne, die zahlreichen, einzigartigen und zugleich in ihrem Ausdruck miteinander verbundenen Soli – allen voran Julie Shanahan und Rainer Behr – gehen manchmal ineinander über oder im nachfolgenden Geschehen unter. Ein elegant gekleidetes Paar schiebt einen Einkaufswagen über die Bühne, eine Tänzerin schwebt von rennenden Tänzern getragen herein, ein an einen Fakir erinnernder Mann wird auf einem Teppich sitzend hereingebracht. Als das Bühnenbild nach der Pause zwei Ebenen bietet, wird auch das zu gleichzeitigen und unabhängigen Aktionen genutzt. Ein Turm aus Stühlen wird hektisch auf- und abgebaut, während sich durch seine unteren „Etagen“ zwei Tänzer bedächtig schlängeln. Ein Tisch wird sorgsam gedeckt und, als niemand kommt, eben wieder in aller Ruhe abgebaut. Das Leben ist ein Fest, auch wenn beim Suppe essen an langer Tafel Hitze und Übermut in Streit umschlagen können.

Musik verbindet die
einzelnen Szenen

Die Musik, die neben traditionellen ungarischen Liedern auch brasilianische, arabisch-andalusische oder Jazz-Anleihen macht, legt sich wie ein Teppich den Tänzern zu Füßen, verbindet die einzelnen Szenen, ist meistens ruhig und beschwingt, selten bedrängend und laut. Der geringe Wortanteil dient der unterhaltenden Erzählung oder der Kommunikation mit dem Publikum – etwa wenn Héléna Pikon nach dem Verliebtsein fragt oder eine französische Geschichte erzählt – oder der Komik, wenn Aida Vainieri in ihrem wiederkehrenden Kampf um eine Zigarette kleine Wutausbrüche erleidet.

„Wiesenland“ bringt Lebensfreude und gute Unterhaltung mit den Tänzern von damals und denen, die später kamen – damals wie heute.