„Meine Ohren sind immer auf“
Die Bratscherin Marina Eichberg stammt aus Palästina, studiert in Wuppertal und erhält das erste Musikstipendium des Lions Clubs.
Wuppertal. Marina Eichberg strahlt. Nicht nur, weil die 22-jährige Bratscherin am nächsten Tag zu ihren Eltern nach Palästina fliegt, sondern auch weil sie das erste Musik-Stipendium des Lions Clubs Wuppertal-Mitte (LCWM) erhält.
„Lions sind dafür bekannt, dass sie sozial schwache und benachteiligte Menschen unterstützen“, sagt Johannes Vesper vom LCWM. „Eine friedliche Gesellschaft kann auch nur so funktionieren. Das gilt ähnlich für Hochbegabte, deren künftige Entwicklung wichtig für unsere Gesellschaft ist.“
Daher hat der Club ein Stipendium für Musikstudierende in ihrem letzten Studienjahr ausgelobt. 400 Euro im Monat zahlen die Lions ein Jahr lang, „damit sich der Stipendiat oder die Stipendiatin frei von finanziellen Zwängen auf die Abschlussprüfung vorbereiten kann“, sagt Norbert Brenken, LCWM-Mitglied und bis April im Vorstand der Stadtsparkasse. Das Geld — „fast 5000 Euro sind ja ein namhafter Betrag“ — sei auf Wunsch eines verstorbenen Lion-Freundes bei dessen Trauerfeier gesammelt worden.
Das war zwar eine einmalige Sammel-Aktion, es sei aber schon daran gedacht, das Stipendium zu wiederholen, sagt Johannes Vesper. Diese Nachricht freut Lutz-Werner Hesse, den Direktor der Musikhochschule: „Ich bin sehr froh, dass es diese Förderung gibt, und würde mir wünschen, dass es mehr solcher Stipendien gäbe.“ Hesse hat die Lions-Jury fachlich beraten, sich aber an deren Entscheidung nicht beteiligt. Die Jury-Mitgliedern haben sich laut Vesper ziemlich schwer getan, sich für einen der elf Bewerber zu entscheiden: „Wir waren beeindruckt vom künstlerischen Niveau, der Ernsthaftigkeit und der Zielstrebigkeit der Studierenden.“
Letztlich fiel die Wahl auf die Bratscherin Marina Eichberg: Die Tochter eines deutschen Vaters und einer palästinensischen Mutter stammt aus Bethlehem. Seit 2013 studiert sie in Wuppertal, seit dem vergangenen Jahr spielt sie in der renommierten Kammerphilharmonie ihres Professors Werner Dickel.
„Meine Eltern wollten, dass ihr Kind etwas mit Kultur zu tun hat“, sagt Marina Eichberg. Drei, vier Mal in der Woche sei sie dort hingegangen, mit 15 Jahren sei ihr die Idee gekommen, Bratsche zu studieren. Doch in Palästina gibt es keine Musikhochschule — „und nach Jerusalem darf ich nicht mal als Touristin einreisen“, sagt Marina Eichberg.
Also hat sie sich nach dem Abitur ein Jahr auf die Aufnahmeprüfung in Deutschland vorbereitet. An vier Hochschulen hat sie 2013 sich beworben, mehrere Monate vor dem Vorspielen bei den jeweiligen Professoren schon mal vorgestellt. Da erst hat sie Deutsch gelernt, heute spricht sie fließend: „Ich höre genau zu, will alles verstehen — meine Ohren sind immer auf.“
In Deutschland gefällt ihr — das alte Klischee bestätigt sich einmal mehr —, dass alles ordentlich und nach Plan läuft, „in einem orientalischen Land wie Palästina ist es schwierig, so eine Ordnung zu finden und durchzuhalten.“
Im nächsten Jahr macht die Bratscherin ihren Bachelor, dann strebt sie den Master an. Ihr Traum ist es, in einem deutschen Orchester zu spielen und zugleich die klassische Musik in Palästina zu fördern. „Viele Musiker, mit denen ich an der Musikschule war, studieren jetzt in Europa. Wenn wir alle zurückgehen, können wir gemeinsam etwas gründen, so etwas wie ein palästinensisches National-Orchester.“
Bisher sei die klassische Musik in ihrer Heimat nicht wirklich verankert. Es gebe auch keine großen Säle, die für Konzerte geeignet seien. Umso mehr genießt Marina Eichberg das reiche Angebot in Nordrhein-Westfalen: „Was ich in Wuppertal, Köln und Düsseldorf hören und sehen kann, ist super.“