Missgriffe und Klangkronen

Denys Proshayev gastierte in der Stadthalle. Trotz einiger Patzer überzeugte der 30-Jährige mit großer Musikalität.

Wuppertal. Selten hört man an Klavierabenden Werke von Jean-Philippe Rameau. Das ist schade, denn der Großmeister der Cembalomusik sei "eines der sichersten Fundamente der Musik", wie Claude Debussy bewundernd feststellte.

Denys Proshayev eröffnet das zweite Konzert des Bayer-Klavierzyklus’ mit der Suite a-Moll aus den "Nouvelles Suites de pièce de clavecin" (1728) des Barockmeisters. Dass dem in Brest geborenen, 30-jährigen Pianisten hierfür ein Fazioli-Flügel im Mendelssohn Saal der Stadthalle zur Verfügung steht, ist ein Glücksfall: Besonders leicht und duftig kann er die "Allemande" tupfen, pathetisch und in schöner Klangfülle erklingt "La Triomphante".

Ein Spiel mit drei Händen suggeriert "Les trois mains" durch das rasche Überkreuzen der Hände. Das galt zu Rameaus Zeit als unerhörte, wenn nicht unmögliche Spieltechnik. Die rauschenden Arpeggien und trillerreichen Verzierungen in der Gavotte mit ihren sechs Variationen realisiert Proshayev sauber - mit dichten Tönen.

Die Ausgeglichenheit vermisst man an anderer Stelle: Eigenwillig will er Beethovens "Pathetique" interpretieren, doch die Artikulation bleibt oft ungenau, in schnellen Läufen verschluckt er manche Töne. Den innigen Charakter des "Adagio cantabile" aber trifft er mit großer Musikalität und Ausdrucksstärke.

In Robert Schumanns tänzerischen Miniaturen "Papillons" op. 2 arbeitet der Pianist das Flatter- und Sprunghafte der Musik mit ihren kapriziösen Einwürfen überzeugend heraus: In der Mittellage schmeichelt der weiche Flügelklang dem Ohr, im Diskant ertönen in gleißenden Klangkronen helle Fanfaren, der Bass liefert sonores Stapfen eines Riesen, ohne die Nebenstimmen zu überdecken. Dass das rasche Spiel dabei hin und wieder Missgriffe provoziert, überhört man wegen der hochmusikalischen Interpretation gerne.

Anders bei der ersten C-Dur Sonate von Johannes Brahms: Der unbekümmerte Zugriff stört besonders im "Allegro" und den letzten beiden, bewegten bis stürmischen Sätzen. Dafür entschädigt das innige Andante, dessen Melodie "nach einem altdeutschen Minneliede" wie von Vorsänger und Chor vorgestellt erklingt. Vier folgende Variationen über das schlichte Lied präsentiert Proshayev poetisch, ruhevoll und mit romantischem Gestus.