Musikhochschule: Ein Blick hinter verschlossene Türen
Besuch im Unterricht: Der Musentempel öffnet Pforten, die sonst geschlossen sind.
Wuppertal. Hüter der deutschen Sprache mögen entsetzt aufschreien — Lutz-Werner Hesse wählt dennoch englisches Vokabular. Der Leiter der Wuppertaler Musikhochschule möchte schließlich beweisen, dass sein Team (nicht nur sprachlich gesehen) mit der Zeit geht. Das Fazit heißt folglich: „Offener Unterricht ist out, open lectures sind in.“ Der Direktor hat gut schmunzeln — er beugt sich dem modernen Diktat der Anglizismen, wohl wissend, dass es mehr auf Inhalte als auf Bezeichnungen ankommt.
Auf gut Deutsch gesagt: Was früher als „Werkstatt-Unterricht“ bezeichnet worden wäre, nennt sich heute „open lecture“. Ob der Name die gewünschte Zielgruppe tatsächlich anspricht, wird sich ab dem 17. April zeigen: Insgesamt sechs Mal sollen Gäste im Günter-Wand-Haus Gelegenheit haben, hinter die Pforten der Musikhochschule zu blicken.
Denn genau darum geht es: „Die Tür steht dann im wahrsten Sinne des Wortes offen“, betont Hesse. Was der Musentempel leiste, „findet normalerweise im Verborgenen statt“. Eben das soll anders werden. Wie sieht die Ausbildung in Barmen aus? Wie entsteht ein Konzertprogramm? Was spielt sich im Geigenunterricht ab? Und wie bringt man anderen professionell die Flötentöne bei?
Antworten auf all diese Fragen können neugierige Zaungäste an der Sedanstraße finden: Sie sind eingeladen, Studenten und Dozenten über die Schulter und die Instrumente zu schauen. Ein Angebot, mit dem Hesse einen allgemeinen Trend aufgreift: „Wir öffnen uns schon seit vielen Jahren, bieten sehr erfolgreich verschiedene Konzert-Reihen an und haben dabei immer mehr Zuhörer von außen.“ Er reagiert aber nicht zuletzt auch auf den Wunsch wissbegieriger Stammgäste.
Schon mehrfach hätten einzelne Konzertbesucher höflich bis schüchtern gefragt, ob sie nicht einmal während des Unterrichts andächtig, still und leise „Mäuschen spielen“ dürften. Ab dem 17. April dürfen sie.
Dann wird Thilo Dahlmann demonstrieren, wie man die Stimme als Instrument einsetzen kann: Ab 17 Uhr gibt er Gesangssstudenten Tipps — Zuhörer sind ausdrücklich erwünscht. Weiter geht’s mit Gitarren-Experten (8. Mai), Flöten-Fans (22. Mai) und Klavier-Virtuosen (5. Juni). Nach einem öffentlichen Ausflug in die Welt der Violoncellos (20. Juni) endet die neue Reihe mit Klarinettenklängen (3. Juli).
Dabei umschließt der Kreis derer, die von den „open lectures“ profitieren sollen, auch die Studenten und Dozenten selbst. Hesse wünscht sich jedenfalls, dass sich auch die Musikliebhaber aus dem eigenen Hause dafür interessieren, wie der Unterricht in anderen Klassen aussieht.
Unter dem Strich jedoch zählt vor allem die Außenwirkung. „Wir möchten zeigen, was für ein lebendiger Organismus die Musikhochschule ist“, erklärt der Direktor. Die Werkstatt-Stunden sind deshalb längst nicht alles. Im Barmer Konzertkalender sind „Spitzentöne“ (reine Dozenten-Auftritte) inzwischen genauso zu finden wie „Eigengewächse“ (Einsätze ehemaliger Studenten).
Hesse freut sich speziell auf die Günter-Wand-Tage, die vom 8. bis 10. Mai gefeiert werden: Drei Veranstaltungen erinnern an den großen Dirigenten, der 1912 in Elberfeld geboren wurde.
Im Wonnemonat sollen Filmaufnahmen, ein Fest-Vortrag und Live-Mitschnitte den Namenspatron des Günter-Wand-Hauses würdigen und darin zugleich beweisen, dass sich das, was sich — längst nicht mehr heimlich — in Wuppertaler Musikerkreisen abspielt, heute wie gestern sehen und vor allem hören lassen kann.