Nazi-Jägerin Klarsfeld als Gast
Als Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge findet Ulrike Schrader immer neue Anknüpfungspunkte zur NS-Historie.
Wuppertal. Die Vergangenheit lebt — wenn man über sie spricht. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, ist sehr engagiert, immer neue Anknüpfungspunkte zur NS-Diktatur in Wuppertal und deren Folgen zu finden.
Für November hat sie ein vielgestaltiges Programm mit dem Thema Geschichte vor Gericht organisiert. Aufhänger sind die Urteile in den Nürnberger Prozessen vor 70 Jahren: Wie hat die Bundesrepublik die NS-Zeit juristisch aufgearbeitet, was hat die Gesellschaft daraus gelernt?
Ein Abend ist reserviert für die Nazijägerin Beate Klarsfeld. Ein Oberstaatsanwalt erklärt, warum bei NS-Massenverbrechen die Suche nach der juristischen Wahrheit schwierig sein kann. Michael Okroy schildert NS-Prozesse vor dem Wuppertaler Landgericht. Alexandra Senft, Enkelin eines Täters, berichtet, wie stark dessen Taten sie belasten. Dazu kommen Lesungen, Gespräche und Filmvorführungen.
Über das Jahr gesehen liegt der Schwerpunkt von Schraders Arbeit jedoch bei den Schulen: 62 Klassen sind 2015 zu einer Führung in die Begegnungsstätte an der Genügsamkeitstraße gekommen. Damit haben sie entscheidend dazu beigetragen, dass die Besucherzahl von 4579 im Jahr 2014 auf 8040 im Jahr 2015 gestiegen ist (für Klassen ist eine Anmeldung erforderlich, 30 Euro für die Führung, Eintritt für die Schüler frei).
Darüber hinaus hat Schrader zahlreiche Kooperationen mit Schulen initiiert. Es gibt Projektkurse, die über ein Jahr laufen. Zuletzt haben Schüler der Gesamtschule Barmen eine App für einen Stadtrundgang zum Nationalsozialismus in Barmen entwickelt.
Seit 2000 hat Schrader in jedem Jahr mit Jugendlichen wechselnder Schulen die Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar gestaltet. „Manche entwickeln auch eine tolle Nachhaltigkeit“, sagt sie. So engagiert sich die Gruppe der Erich-Fried-Gesamtschule, die sich 2015 mit erschossenen Deserteuren auf Erbschlö befasst hat, weiter für ein Mahnmal, obwohl die Mitglieder die Schule längst verlassen haben. Jugendliche am Carl-Duisberg-Gymnasium haben eine Art Patenschaft für die toten Kinder der Zwangsarbeiterinnen auf dem evangelischen Friedhof in Wichlinghausen übernommen.
Vom Schulministerium initiierte Bildungspartnerschaften verankern die Erinnerungskultur fest an den Schulen. So kommen beispielsweise die Klassen des Gymnasiums am Kothen regelmäßig in die alte Synagoge.
Ulrike Schrader ist sich bewusst, dass die Begegnungsstätte bei einigen Menschen Schwellenangst auslöst — die Architektur ist nicht sehr einladend, man muss klingeln. Zudem assoziieren manche mit Synagoge und Judentum nur schwere Themen — „aber das ist gar nicht unser Konzept.“
Deshalb liegen ihr Veranstaltungen wie die Kunst- und Museumsnacht am Herzen, bei denen von vornherein klar ist, dass es ein entspannter Abend „ganz ohne Schuld und Scham“ wird: „Es war auch diesmal wieder den ganzen Abend voll, die letzten Gäste mussten wir nach Mitternacht hinauskomplimentieren.“
www.alte-synagoge-wuppertal.de