Was haben Sie als erstes vor?
Tanztheater Pina Bausch Der Spielplan muss fertig werden
Wupeprtal · Interview Die neue Intendantin des Tanztheaters, Bettina Wagner-Bergelt, setzt auf Teamarbeit.
Sie pendelt derzeit noch zwischen München, Berlin und Wuppertal, ist voller Tatendrang. Bettina Wagner-Bergelt, neue Intendantin des Tanztheaters Pina Bausch, erzählt im Gespräch, was sie als erstes vorhat, was ihr Pina Bausch bedeutet hat und warum sie sich auf die Stadt an der Wupper freut.
Bettina Wagner-Bergelt: Hier gibt es jede Menge Arbeit. Der Spielplan muss fertig gemacht werden für den Rest der Saison. Das ist vorrangig. Dazu gibt es viele Gespräche mit den Mitarbeitern. Das Jugendprogramm ist mir ein großes Anliegen - ich habe ja auch in München ein großes Vermittlungsprogramm auf die Beine gestellt. Das Educationprogramm muss ausgebaut und an Ensemble und Repertoirestücke gebunden werden. Wir müssen über die Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Ensemble nachdenken, beide wieder enger zusammenführen. Auch im Hinblick auf das Pina Bausch-Zentrum, das in einigen Jahren fertig sein soll und einmalig in Deutschland sein wird. Dessen Inhalte müssen gemeinsam geplant werden. Und man muss überlegen, wie man es in der Stadt und seiner Bevölkerung positioniert.
Gibt es einen zeitlichen Rahmen?
Wagner-Bergelt: Ich versuche, jetzt schon jede Woche einige Tage hier zu sein. Wir hatten gerade sehr intensive Gespräche mit den Mitarbeitern, die das Ganze hier schon viele Jahre managen. Wir haben uns gefragt, wo wir stehen, welche Impulse es gibt. Es herrscht schon ein bisschen eine Aufbruchstimmung. Ich habe den Eindruck, dass sich alle freuen, dass da jetzt was Neues losgeht. Das Ensemble reist am Wochenende nach Sao Paulo. Wenn es zurück ist, werden wir uns zusammensetzen, um zu schauen, wie sich die Stücke entwickeln und wie wir eine Strategie für die Zukunft entwickeln, auch was die neuen Stücke, die Wiederaufnahmen, die Koordination für Gastspiele und die Aufführungen in Wuppertal angeht. Ich will natürlich auch schauen, welche Schätze es noch zu bergen gilt, welche Stücke lange nicht gespielt wurden.
Verraten Sie schon Konkretes zum Spielplan 18/19?
Wagner-Bergelt: Nein, wir haben einen Plan entworfen, der aber noch intern abgestimmt werden muss. Mitte Dezember werden wir damit hoffentlich an die Öffentlichkeit gehen können. Für das zehnjährige Jubiläum der Stiftung, zeitgleich mit dem Todesjahr Pina Bauschs, soll es Akzente geben. Da setze ich auf eine enge Zusammenarbeit mit Salomon Bausch, den ich schon gut kenne und mit dem ich mich schon mehrfach getroffen habe. Stiftung und Tanztheater sind aufeinander angewiesen, ich hoffe, wir können uns gegenseitig mit Ideen befeuern und schauen, wo man Synästhesien schaffen kann. Das ist mir ganz wichtig.
Was bedeutet Ihnen Pina Bausch?
Wagner-Bergelt: Pina Bausch und William Forsythe waren für mich die beiden Pole, zwischen denen sich meine professionelle Entwicklung abgespielt hat. In Frankfurt habe ich viel mit Forsythe zu tun gehabt, weil ich im Theater am Turm gearbeitet habe, als er an die Oper ging. Und ich pilgerte nach Wuppertal, wo sich das Tanztheater etablierte. Das waren für die Zuschauer vollkommen neue Welten und für viele auch Angst einflößend, weil beide Künstler die heile Welt des Balletts auseinander nahmen, um dahinter zu sehen, wozu Tanz in der Lage ist. Ich habe sehr viele Stücke von Pina Bausch gesehen, sie hat auch in München einige gezeigt, und wir haben noch die ersten Gespräche über die Möglichkeit geführt, eines ihrer Stücke mit unseren Tänzern aufzuführen.
Wie wollen Sie mit dem Repertoire von Pina Bausch umgehen?
Wagner-Bergelt: Der Umgang damit ist das entscheidende. Das Repertoire ist nichts Museales, ich bin für einen wissenschaftlich fundierten Umgang. Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, was das für ein Schatz ist. Bei Pina Bausch gibt es aber nicht nur die Stücke, sondern ein Ensemble. Wir haben einen großen Anteil an Tänzern, die noch mit ihr gearbeitet und mit ihr die Stücke entwickelt haben. Und es geht um ein Werk, das für sich steht und erhalten bleiben muss. Man muss genau überlegen, wie man das macht, damit es lebendig bleibt. Die Frage ist, ob es auch unabhängig von denen besteht, die es auf den Weg gebracht haben. Kann man die Rollen auf andere Tänzer übertragen? Ist es eine Geschichte zwischen Pina und ihren Tänzern oder mehr, nämlich eine neue ästhetische Qualität, die sie in den Tanz gebracht hat? Ich denke, Letzteres. Wie erhält man diese, überträgt sie in Gegenwart und Zukunft? Kann man die Stücke wie ein Libretto behandeln? Ich denke ja, aber man muss sehr genau prüfen, welche Stücke das sein können. Ich kann es mir als spannende Aufgabe für einen jungen Choreographen denken, sich mit den Materialien zu einem Stück auseinanderzusetzen, die es in der Stiftung in Hülle und Fülle gibt. Das wäre ein Prozess, der nicht unbedingt direkt zu einem Ergebnis führen muss.
Wie stehen Sie zum Transformationsprozess im Tanztheater?
Wagner-Bergelt: Der hat in dem Moment eingesetzt, als Pina Bausch gestorben ist. Da gibt es verschiedene Phasen. Er ist mit uns und auch danach nicht abgeschlossen. Ich möchte jetzt so viel wie möglich auf den Weg bringen. Ich bringe viele Erfahrungen mit, kenne Ensemble und Repertoire sehr gut und habe klare Vorstellungen davon, was man machen kann. Ich diskutiere das jetzt mit allen, die hier sind, und finde heraus, was davon machbar ist, was nicht. Ich bin da sehr offen. Hier gibt es ein tolles Team, tolle Mitarbeiter, ein großartiges Ensemble, mit denen zusammen ich jetzt wirklich loslegen möchte.
Wie stehen Sie zu neuen Stücken?
Wagner-Bergelt: Das will sehr genau überlegt sein. Pina Bausch war eine der radikalsten Künstlerinnen überhaupt in Deutschland, als sie anfing. Sie hat Generationen von Künstlern beeinflusst durch ihre Art der Dramaturgie, des Erzählens, ihre Beobachtungsgabe, ihre Art, mit Text umzugehen. Daran möchte ich anknüpfen. Bei dem, was man neu macht, muss man eine Ästhetik wählen, die ähnlich fragt, in Frage stellt und ähnlich radikal ist.
Wie stehen Sie zur Generationenfrage im Ensemble?
Wagner-Bergelt: In diesem Ensemble ist sie nicht die wichtigste. Es gibt hier ein altersgemischtes Ensemble. Auch die gesellschaftliche Diskussion hat sich mittlerweile vom Jugendfanatismus abgewendet. Bei jedem Stück muss man entscheiden, wie man das besetzt, wenn man es neu spielt - es gibt Partien, wo alles so bleiben kann, wie es war, aber es gibt auch Passagen, wo es damals und heute jemand machen muss, der 25 Jahre alt ist, weil es nur zu dieser Lebensphase passt.
Wie haben Sie das Ensemble erlebt?
Wagner-Bergelt: Das Ensemble hat mich sehr gut aufgenommen. Ich hatte das Gefühl, dass sich wirklich alle gefreut haben, dass jetzt wieder eine Leitung da ist. Und ich glaube auch, dass diejenigen, die mich kennen, sich gefreut haben, dass ich es bin, weil sie Vertrauen zu mir haben. Durch die Übernahme des Bausch-Stücks „Für die Kinder von gestern, heute und morgen“ an der Bayerischen Staatsoper, die ja künstlerisch sehr überzeugend war, kenne ich die Arbeitsprozesse und die Menschen, die das machen, sehr genau. Das hilft mir jetzt. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Tänzern beider Ensembles damals war respektvoll und intensiv.
Was haben Sie mit dem strukturellen Umbau der Tanztheaterführung zu tun?
Wagner-Bergelt: Wir sind in diese Arbeit involviert, aber das ist jetzt nicht mein vorrangiges Problem. Mit der Struktur, die wir hier haben (gleichberechtigte Doppelspitze aus Geschäftsführung und künstlerischer Leitung, Red.) können wir erstmal arbeiten. Wir haben inhaltliche Themen, die viel viel dringender sind. Ich will kein Provisorium, das nicht ernst genommen wird. Wir modifizieren einzelne Arbeitsabläufe oder Arbeitsfelder, wenn das anfällt, und in dem Rahmen, wo das schnell möglich ist.
Sie waren schon mal für die Intendanz vorgesehen.
Wagner-Bergelt: Vor ein paar Jahren wurde ich angerufen und habe meine Vorstellungen für eine Zukunft des Tanztheaters erläutert. Als man mich fragte, ob ich zur Verfügung stünde, musste ich aber aus privaten Gründen passen. Und damit war das für mich erledigt, ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass diese Chance nochmal vorbeikommt. Ich bin ja jetzt auch in Berlin, wo ich im Rahmen des Bauhausfestivals 2019 an meine Bauhausrecherchen von früher anknüpfe. Als ich vor vier Wochen gefragt wurde, ob ich jetzt könnte, habe ich natürlich zugesagt.
Sie ziehen nach Wuppertal?
Wagner-Bergelt: Ja, mein Mann und ich suchen eine Wohnung. Ich komme ja aus Nordrhein-Westfalen. Ich freue mich auch auf den Wechsel von einer hochglanzpolierten Residenzstadt wie München hierher. Das tut mir gut. Und ich habe Lust, mich mit Wonne hinein zu stürzen.
Spielt der andauernde Streit um die Kündigung Ihrer Vorgängerin Adolphe Binder für Sie eine Rolle?
Wagner-Bergelt: Ich versuche das auszublenden, weil ich damit nichts zu tun habe. Ich kenne Adolphe Binder gar nicht persönlich und weiß nicht genau, was hier passiert ist. Ich sehe nur, das alle offenbar sehr glücklich sind, dass es hier jetzt eine gute Kommunikation gibt. Roger Christmann und ich haben sehr viel Interesse, mit allen intensiv zusammenzuarbeiten. Mir war immer wichtig, ein Team zu haben, in dem man sehr selbstkritisch miteinander umgeht. Und dann wird man sehen, wie sich das entwickelt.