„Neurosen-Kavalier“: Turbulenzen auf der Theaterbühne
„Der Neurosen-Kavalier“ hat Langerfeld erreicht. Thorsten Hamer spielt mit Witz, Verve und ganzem Körpereinsatz.
Wuppertal. Dass die Grenzen zwischen Therapeuten- und Patientendasein oft fließend sind, ist hinlänglich bekannt. Und mag es unter den Behandelnden auch manchen Quacksalber geben - dass ein Warenhaus-Dieb von jetzt auf gleich beginnt, gutgläubige Neurotiker zu therapieren, ist dann hoffentlich doch nur Theater.
"Eine Komödie in vier Sitzungen" lautet der Untertitel im Falle des aus der Feder von Gunther Beth stammenden Theaterstückes "Der Neurosen-Kavalier". Und in dem Maße, wie man sich zum Beispiel bei Woody Allen fragt, welche seiner Figuren eigentlich die verrückteste ist (und warum), zieht der Volkstheatercharakter hierbei klare Grenzen. Nach bester Irrenwitz-Manier hält sich Patient A für Elvis Presley und schlägt sich Patientin B mit einer verkorksten Vaterfigur rum. Irgendwie geistern da auch noch Freud, Jung und der ödipale Komplex durch den Text.
Auch die Inszenierung von Leo-Theater-Leiter und Hauptdarsteller Thorsten Hamer (unterstützt von Mitarbeiterin Jenny Sippel) setzt ganz klar auf Turbulenz, Wortwitz und leider viel großonkelige Schlüpfrigkeit, ohne die der Stoff gar nicht mal schlechter wäre.
Lustig ist es allemal, dass der Ganove Felix Bollmann (Hamer) durch Zufall in einer psychotherapeutischen Praxis ans Praktizieren gerät - und letztlich therapeutische Triumphe feiert. Die Charaktere sind halt plakativ: Die dauerscharwenzelnde Sprechstundenhilfe Fräulein Engel (Martina Dittes liefert eine reife Leistung als Debütantin), die latent hysterische Schriftstellerin Claudia Carrera (Racine Tewes), der ziemlich überdrehte Elvis-Irre Jürgen Appelhans (Thomas Dauber).
Herbert Ruhnau hingegen als Dr. de Witt und Rick Schneider als Günther Maiwald müssen mit den blasseren Figuren vorlieb nehmen, allein die Rolle von Christiane Breucker - sie spielt die Kleptomanin Sybille Bast - hat feinere Nuancen und Platz für kleine Überraschungen. Und dann ist da natürlich noch Thorsten Hamer, der sein Handwerk bestens beherrscht - dem es auch gelingt, dass bei den Späßen unter der Gürtellinie nicht allzu viel Fremdschämen aufkommt und in dem unfreiwillig immer wieder mal seine Paraderolle als Heinz Erhard aufkeimt, was bei den eingestreuten Wortspielen unverkennbar ist.
Hamer spielt mit Witz, Verve und ganzem Körpereinsatz. Für den "Neurosen-Kavalier" hat er ein munter aufspielendes Ensemble an seiner Seite, das einen kurzweiligen Stadtteiltheater-Abend garantiert.
Regie: 4 von 5 Punkten
Bühne: 4 von 5 Punkten
Ensemble: 4 von 5 Punkten