Oper Luisa Miller: Große Liebe und menschliche Abgründe

Ein begeistertes Publikum feierte die Premiere von Verdis Oper mit höchst niveauvoll gestalteten Partien.

Izabela Matula als Luisa mit Michael Tews als Wurm.

Foto: jens grossmann/JENS GROSSMANN

Es gibt immer wieder berechtigten spontanen Szenenapplaus. Dieser gebührt den Gesangssolisten, die ausnahmslos ihre anspruchsvollen Partien höchst niveauvoll gestalten. Ihr großartiger Umgang mit Liebe und Intrigen deckt schonungslos menschliche Abgründe auf, die in diesem Fall unweigerlich zum Tod führen.

Es geht um Giuseppe Verdis Oper „Luisa Miller“. Friedrich Schillers Drama „Kabale und Liebe“ diente als Vorlage. Luisa und Rodolfo lieben sich heiß und innig. Doch deren Väter Miller und Walter haben etwas dagegen. Es müssen Ränkespiele dafür herhalten, dass diese Beziehung nicht zustande kommt. Dieses Musiktheater ist nun im Wuppertaler Opernhaus zu sehen und zu hören.

Da solche Wesenszüge zeitlos sind, gibt es nur ein einziges abstraktes Bühnenbild (Andrew Liebermann): bewegliche nackt-weiße Wände. Mal kommt man sich vor wie in einem Hochsicherheitstrakt, wenn eine Mannschaft in weißer Schutzkleidung steril wirkende Tonnen durch die Gegend rollt.

Ein anderes Mal denkt man, Walter sei ein Ölbaron, wenn mit schwarzer Flüssigkeit aus Fässern gespielt wird. Egal, es geht um den Gehalt der Geschichte. Und mit dem geht Regisseurin Barbora Horáková Joly komplex um. Sie arbeitet neben der eigentlichen Handlung inklusive einer erstklassig charakterlich herausgearbeiteten Personenführung mit vielen Symbolen. Ständig besudeln beziehungsweise bemalen etwa vier Tänzer und zwei Kinder – Luisa und Rudolf in frühen Jahren – die Wände mit schwarzer Farbe, kleiden dadurch das Geschehen in eine zusätzliche beklemmende Düsternis oder betonen dadurch die Musikeffekte.

Ablenkende
Erzählstränge

Manchmal ist es aber ein wenig zu viel des Guten, wenn der Junge mit einem Messer seinen Teddy malträtiert oder die vier Tänzer zig brennende Kerzen zu der Szene des sterbenden Liebespaars auf dem Boden drapieren. Solche Psycho-Erzählstränge lenken ab.

Abgesehen von dieser vielschichtigen Inszenierung gibt es eine hier lange nicht mehr erlebte grandiose Sängergala. Sopranistin Izabela Matula geht spielerisch leicht mit der extrem anspruchsvollen Partie der Luisa um. Ihre Koloraturen, Gestaltung von Klängen und ihr sensibler Umgang mit Dynamiken in allen Registern bewegen sich auf ganz hohem Niveau. Rodrigo Porras Garulo verkörpert dank seines klangvoll-variablen Tenors einen extrem glaubwürdigen Rodolfo.

Ein strahlender
Bariton

Anton Keremidtchiev verfügt über einen strahlenden Bariton, der ausgezeichnet zu dem starrsinnigen Miller passt. Ensemblemitglied Sebastian Campione offenbart trotz minimaler Schwächen in der ganz tiefen Tonlage mit seiner ausdrucksstarken Bassstimme einen dominanten Walter.

Michael Tews schlüpft mit seinem ausgewogenen Bass optimal in die Rolle des durchtriebenen Wurm. Der kräftige Mezzosopran von Nana Dzidziguri lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es um eine reife, gestandene, selbstbewusste Federica geht.

Auch das neue feste Ensemblemitglied, Mezzosopranistin Iris Marie Sojer, überzeugt als Laura mit einer reifen Stimme. Außerdem präsentieren sich Opernchor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen (Einstudierung: Markus Baisch) stimmgewaltig-packend.

Generalmusikdirektorin Julia Jones lenkt das Sinfonieorchester Wuppertal mit festen Zügeln, entlockt ihm eine große Palette an ein wenig distanzierten doch nuancierten Klangfarben, sorgt für satte Töne. Doch die Blechbläserabteilung ist streckenweise zu laut, übertönt die tragfähigen Gesangsstimmen zu sehr. Auch könnte an einer musikalischen Akkuratesse zwischen Orchestergraben und Bühne noch etwas gefeilt werden.

Das Premierenpublikum zeigt sich hellauf begeistert, spendet allen an der Produktion beteiligten lang anhaltende stehende Ovationen.