Premiere: Wenn Sekretärinnen am Schreibtisch rocken
Büro-Schlacht im TiC-Theater: Ralf Budde inszeniert die Kult-Revue von Franz Wittenbrink im Atelier Unterkirchen.
Wuppertal. Die Tasten der Schreibmaschinen geben den Rhythmus vor, die Rücklauftaste die Zäsur dazu. Sechs "Tippsen" sitzen auf der Bühne des TiC-Ateliers und hacken in die Tasten. "Die Sekretärinnen" von Frank Wittenbrink sind nun auch im TiC-Theater angekommen, und es ist, als hätte dieses nur auf die Musical-Revue gewartet.
Stefan Hüfner hat die Stücke nicht nur mit Klavier und Schlagzeug eingespielt, sondern auch die Lieder und Songs des Originals überarbeitet, manche rausgeworfen und dafür andere dazu genommen. TiC-Chef Ralf Budde hat die neun Ursprungs-Rollen auf seine sechs Schauspielerinnen verteilt.
In Reih und Glied sitzen nun sechs Typen, wie man sie aus vielen Büros kennt, vor den Elba-Aktenordnern und dem altertümlichen Waschbecken (Bühne: Sandra Beckmann). Bei Julia Meier wölbt sich ein künstlicher Baby-Bauch unter dem Röckchen, sie hockt mit blonden Locken und naivem Blick auf einem Gymnastik-Ball und stopft ununterbrochen Kekse, saure Gurken oder Schokoküsse in sich hinein.
Sabine Henke spielt den emanzipierten Blaustrumpf - mit streng zurückgegelten Haaren und schwarzem Jackett über dem Faltenrock. Karolin Hummerich säuselt mit ausladenden Gesten und wallenden Locken Liebesschwüre ins Telefon, während Martina Anhang als gestrenge, etwas altbackene Bürovorsteherin Kleenex verteilt und Gedichte rezitiert. Stefanie Pütz gibt das Partygirl, das seinen Platz im Leben noch sucht, und Isabelle Rotter den Snob, der sich von reichen Männern beschenken lässt.
Geredet wird kaum, aber die Lieder entlarven alles: Ob "Ein Schiff wird kommen", "Sitting in the Morning Sun", "We will rock you" oder "In einem kühlen Grunde" - das musikalische Spektrum reicht vom Rap bis zum Schlager, vom Volkslied bis zum Rock. Ein Hit reiht sich an den anderen. Und wenn zur Melodie von "I can’t live without you" Wörter wie "Rückstelltastenregulator" gesungen werden müssen, tobt das Publikum.
Besonders die erste Hälfte lässt den Zuschauern kaum eine Atempause zwischen den Lachsalven. Wenn der Bürobote (Oliver Brick) schüchtern und mit eingezogener Unterlippe Blätter einsammelt, dann aber plötzlich zur Musik von Eros Ramazotti den grauen Bürokittel herunterreißt und die Hüften schwingt, himmeln ihn nicht nur die Sekretärinnen an.
Die Büromäuschen legen alles in ihre Blicke: Anbetung, Eifersucht, Herablassung und die stolze Siegesmiene, wenn genau bei ihnen das Lämpchen aufleuchtet und sie zum Chef zum Diktat gerufen werden. Geschickt hat Budde die verschiedenen Tätigkeiten der Damen choreografiert, unterstützt von einer geschickten Lichtregie. Das grandiose Team macht das Erfolgsstück auch in Cronenberg zu einem Reißer. Der Wirkung kann sich niemand entziehen. Regie: 5 von 5 Punkten Bühnenbild: 4 von 5 Punkten Ensemble: 5 von 5 Punkten