Schön schräg: Spitzenorchester überrascht mit viel Witz
konzert Die Academy of St. Martin in the Fields begeistert das Wuppertaler Publikum. Auch Martin Stadtfeld überzeugt durch Präzision.
Wuppertal. Wer sie bislang als eines der besten Kammerorchester Europas und als Spezialisten für die Barockmusik schätzte, lernte die Academy of St. Martin in the Fields am Mittwochabend auch von anderer Seite kennen. In der Reihe "Johannisberg International" gastierte das Ausnahme-Streichorchester im nahezu ausverkauften Großen Saal der Stadthalle.
Den barocken "Kern" von zwei Klavierkonzerten Johann Sebastian Bachs ummanteln nämlich Werke von Komponisten aus der Heimat der Musiker: Benjamin Brittens "Variations on a Theme of Frank Bridge" und William Waltons "Sonate für Streichorchester". Das Britten-Werk von 1937 ist eine Hommage an dessen Lehrer, mit dem er seinen Charakter in zeitgemäßer Tonsprache schildern wollte. Und das klingt bei der Academy äußerst delikat: Als Trauerklage variieren die Streicher das Thema, als verqueren Marsch, als flotte und witzige "Aria" im italienischen Stil, wo die Instrumente wie Gitarren geschlagen werden.
Schön schräg und barbarisch klingt ein kaum wiederzuerkennender Wiener Walzer mit schmachtender Solo-Geige. Die spielt Kenneth Sillito, der das Orchester vom ersten Pult aus versiert und schwungvoll leitet. Düsteres Schreiten der Celli unterlegt den "Funeral March" und rhythmische Blitzlichter setzen in der finalen Fuge markante Akzente. Das ist Spiel mit Witz, Leidenschaft, bewundernswerter Präzision und Transparenz.
Glücklich schätzen darf sich Pianist Martin Stadtfeld, mit dem renommierten Orchester zu spielen. In beiden Bach-Werken (1053 und 1055) ist er der Solist. Stadtfeld spielt seinen Part technisch präzise und bemüht sich um cembalistische Auffassung, etwa im arpeggierenden Spiel.
Sein Anschlag aber ist weich, der Klang des Klaviers vermischt sich mit dem Streicherklang, die ungemein federndes, barockes Spiel vorgeben. Die Schärfe des Cembalos, wofür Bach seine Konzerte schrieb, will Stadtfeld nicht imitieren. Das "Siciliano" im E-Dur-Werk geht der Pianist nahezu romantisch an, er pointiert wenig und nimmt fallende Spannung in Kauf.
In seiner Zugabe glänzt er mit der rauschhaften und unruhevollen d-Moll-Toccata von Sergei Prokofjew. Das maschinenähnliche Hämmern der mechanischen Verläufe erweckt den Eindruck großer Virtuosität und scheint dem Pianisten zu liegen.
William Walton schrieb seine Sonate 1971/72 nach seinem a-Moll-Streichquartett von 1947. Immer wieder tritt das Quartett als Klangträger und als Initiator weiterer musikalischer Gedanken in Erscheinung. Versenkung ins Dunkle herrscht im "Lento" vor, wo Violen und tiefe Streicher meditieren, jedoch niemals in schwülstigem Klang schwelgend. So wie im aufgeregten "Presto" bleiben die farbenreichen Klänge stets straff und präzise rhythmisiert. Das Publikum bedenkt die grandiose Vorstellung mit begeistertem Applaus.