Tänzer proben die Kontaktaufnahme
Jugendliche suchen die richtige Haltung: Das Tanztheater Wuppertal bereitet sich auf die neue „Kontakthof“-Staffel vor.
Wuppertal. Wenn die jungen Herren im Anzug mit Krawatte und gestriegelten Lederschuhen energisch auftreten, die jungen Damen in langer, luftiger Robe und auf hohen Hacken über die Bühne stöckeln, dann wirken sie sehr seriös, sehr gesammelt und sehr diszipliniert: Pina Bauschs "Kontakthof mit Teenagern ab 14" ist in der kommenden Woche im Opernhaus zu erleben.
Doch bei der ersten Probe in der "Lichtburg" am Alten Markt läuft es alles andere als glatt und souverän. Einige der Jugendlichen haben seit einem halben Jahr nicht mehr getanzt. Schließlich stehen Klassenarbeiten, Klausuren, Zeugnisse oder gar das Abitur vor der Tür.
Die Probenleiterinnen und selbst aus dem Pina-Bausch-Kader stammenden Tänzerinnen Jo Ann Endicott und Bénédicte Billiet lassen sich ihre Nervosität nicht anmerken. Ruhig und sachlich geben sie ihre Anweisungen: "Ihr wart nicht zusammen. Noch einmal. Vertraue auf dich selbst, schaue nicht auf die anderen."
Und manche Szene wird gleich mehrfach wiederholt - etwa, wie die Kontaktaufnahme im Jugendalter so geschieht: Aus Streicheln wird Schlagen, auf sanftes Berühren folgt sogleich ein Tritt. Soeren meint: "Es kann angenehm sein, Kontakt aufzunehmen. Man flirtet und tanzt zusammen. Es kann aber auch enttäuschend sein, weh tun und schmerzen."
Nicht immer geschieht es also so romantisch, wie der Musiktitel verspricht: "Mach rotes Licht, wir wollen Tango tanzen." Das erste Ensemble nach rhythmisch-schmissiger Musik schlappt noch müde voran. "Ihr habt Haltung verloren, seid ohne Temperament", beschreibt Endicott das Manko. "Jetzt klappt’s", verspricht ein Junge, und mit guter Konzentration gelingen die Schrittfolgen gleichmäßig und roboterhaft zackig.
Der starre Blick geradeaus, das breite Grinsen auf Kommando, das hilflose Vorzeigen und Wenden der Hände - alles geschieht nun im Gleichklang nach straffem Zählmaß zu den alten Schnulzen aus den 20er Jahren: "Frühling und Sonnenschein", "Einmal ist keinmal" oder "Mein schönstes Vis-a-vis". Wenn Bénédicte Billiet sich in die Gruppe mischt und mitmacht, sieht man genau, wie es aussehen soll - die gespannte Haltung, der elegante Schritt, die schwerelose Drehung.
Nach zwei Stunden sitzen die Szenen schon gut, in der Pause bleibt Zeit zum Reden. Jonas, Hedie, Soeren und Katja erinnern sich an Pina Bausch: "Sie war sehr kritisch", sagen sie. "Sie hat uns immer ernst genommen und uns als richtige Tänzer betrachtet." Und: "Sie konnte sehr gut zuhören. Es war faszinierend, sie zu erleben."
Was die Jugendlichen am Stück schätzen? "Es hat mir viele Kontakte gebracht." Oder: "Ich kann hier von allem abschalten." Und auch dies ist eine große Motivation: "Ich fühle mich mittlerweile geborgen wie in einer Familie. Wir haben uns kennen und lieben gelernt." Und das soll so bleiben und vom Publikum gespürt werden - bei den nächsten Aufführungen in Wuppertal und den anstehenden Tourneen nach Wien, London und Amsterdam.
Karten für die Opernhaus-Vorstellungen gibt es unter Ruf 569-4444; Gruppenreservierungen sind per Telefon 563-4253 oder per Mail (katharina.bauer@pina-bausch.de) möglich.