Kultur in Wuppertal Theater-Premiere: Shakespeare kann viel Spaß machen

Gelungener Einstieg in die neue Spielzeit: Das Schauspiel Wuppertal bietet einen „Sturm“, der in die Herzen der Zuschauer hinein weht.

Foto: Uwe Schinkel

Wuppertal. Der Sturm kommt aus einer Nebelmaschine. Luftgeist Ariel trägt sie genüsslich mit sich herum, vernebelt mit seiner Zauberwolke die Sinne und sorgt dafür, dass auf und vor der Bühne mitunter sprichwörtlich der Durchblick verloren geht. Was den Spaß sogar fördert. Shakespeares teilweise komplizierte Geschichte kann anstrengen, sie kann aber auch Spaß machen — und ganz großes Theater sein. Der neue Intendant des Wuppertaler Schauspielhauses, Thomas Braus, zeigte am Samstag bei der Premiere im großen (Opern-)Haus, wie das geht.

„Also, das war’s dann wohl“, sagt Prospero eingangs und mancher Zuschauer befürchtet, die leere Bühne vor Augen, das Stück könnte zu Ende sein, bevor es begonnen hat. Doch nimmt die Geschichte erst richtig Fahrt auf, und mit ihr die sechs Männer, die fast alle in Doppelrollen auftreten. Das kleine Ensemble beweist an diesem Abend, dass es in der Lage ist, eine große Bühne samt Orchestergraben Stück für Stück zu erobern und (mit Leben) zu füllen — mit großem komödiantischem Geschick, Palmen, Lampen, fahrbaren Wänden, Sesseln und Sofas, die Ariel mühsam auf die Bühne trägt. Pia Maria Mackert beweist hier, wie bei den grotesken und damit stimmigen Kostümen, ein gutes Händchen.

„Regisseur“ Prospero, gespielt von einem großartigen Stefan Walz, hält — von Shakespeare so gewollt — die Fäden in der Hand, bis sie ihm entgleiten und er als einzig Geläuterter das Publikum bitten muss, ihn zu befreien. Durch Applaus, der ihn von der, trotz Leuchtschriftzug alles andere als paradiesischen, Insel ins Herzogtum Mailand zurück wehen soll.

Das Herzogtum wurde ihm vor zwölf Jahren durch den eigenen Bruder Antonio (Youngster Aaron Röll) genommen, er selbst und Tochter Miranda wurden in einem Boot auf dem Meer ausgesetzt, landet auf einer Insel, wo er dank seiner Zauberkräfte dem missgebildeten, wilden Caliban die Herrschaft entreißt, bevor dieser Miranda vergewaltigen kann. Er befreit den Luftgeist Ariel und macht sich beide zu Sklaven. Mit Ariels Hilfe will er nun Rache nehmen, indem er das Schiff mit Bruder Antonio, Alonso, dem König von Neapel, sowie dessen Sohn Ferdinand (Alexander Peiler spielt beide mit viel Situationskomik), Alonsos Bruder Sebastian (Konstantin Rickert) und dem alten Rat des Königs Gonzalo (Jonas Gruber) vor der Insel in einem Sturm untergehen lässt. Vater und Sohn werden getrennt und während die Gestrandeten nach Orientierung suchen, entspinnt sich ein zunehmend witzig anzusehendes, mit stümperhaften Putschversuchen gespicktes Verwirrspiel, an dessen Ende Miranda und Ferdinand ein Paar und die verfeindeten Brüder Mailands ausgesöhnt sind, aufbegehrende Diener sowie Sklaven bestraft und Ariel in die Freiheit entlassen werden.

Regisseur Marcus Lobbes macht aus Shakespeares Sturm grandioses Theater, ein schnelles, in immer greller werdendes Licht getauchtes und gagreiches Spiel. Beispiele: Miranda ist ein hässlicher Kartoffelsack, in den entweder Jonas Gruber mürrisch schlüpft, oder gleich ganz eine Puppe — was soll’s, Ferdinand schmachtet beide umso leidenschaftlicher an. Genüsslich führt Ariel die Gestrandeten mit einem, im Orchestergraben gegrillten Würstchen wie bettelnde Hunde an der Nase lang. Thomas Braus verkörpert den Luftgeist zwischen Unterwürfigkeit und Arroganz ebenso überzeugend wie seinen Gegenpart, den unglücklichen wie wilden Caliban. Dass sich beide äußerlich nur durch Federkranz und Haarschwung unterscheiden — wen stört’s. Es ist eben alles Theater und dazu gehört, dass der Zuschauer beim zunehmend schwierigen, weil schnellen Rollenwechsel und damit verbundenen Umkleiden zuschaut. Dass dabei schon mal die Perücke herunterfällt, ein Schuh fehlt, ist gewollt und passt ins Bild. Hier öffnet sich das Theater dem Zuschauer, nicht zuletzt, wenn die Schauspieler ihn direkt ansprechen, um ihm etwas zu erklären.

Das Publikum geht mit, lacht und spendet gerne Applaus, den sich auch die Mitwirkenden hinter der Bühne abholen dürfen. So kann das Theater die (Wuppertaler) Bühne retten. “ Seite 17