Theaterpremiere: Städter irren durch die Nacht
Das junge Börsenensemble zeigt im Stück „Nachtflug“ einsame Menschen, die auf der Suche sind.
Wuppertal. Die Schauspieler tragen Brillen mit dicken Streifen davor und laufen ohne Berührung durcheinander. Einsam sind die Menschen in Haruki Murakamis Geschichte "Afterdark", auf der Suche nach Freundschaft und sich selbst. Das junge Börsenensemble unter der Leitung von Ute Kranz hat den Roman des japanischen Erfolgsschriftstellers als Vorlage genommen und daraus die Inszenierung "Nachtflug" geschaffen.
Immer wieder schälen sich Szenen aus den unisono gesprochenen Kommentaren und Beschreibungen der zehnköpfigen Gruppe heraus. Auf der einen Seite liegt Eri (Ronja Bernsau), die schöne Schwester, regungslos im Bett, seit Wochen liegt sie im komaähnlichen Schlaf. Eine Kamera filmt die Schlafende, während auf dem Fernseher über ihr stets derselbe Mann mit Maske zu sehen ist.
Ihre weniger hübsche, aber lebenspraktischere Schwester Mari hingegen irrt schlaflos durch die Nacht. In einer Bar trifft sie Takahashi. Wunderschön spielen Janna Olson und Mario von Grumbkow die langsame Annäherung der beiden: das schüchterne Vor-sich-hin-Gucken, unsicheres Geplapper, erste vorsichtige verliebte Blicke. Ein zufälliges Berühren der Hände, und dann wieder ein Rückzieher. Alles bleibt in der Schwebe.
Dem gegenüber steht als Ort des Untergrunds das "Love Hotel", in dem sich Liebende stundenweise einmieten. Zufällig, als Helferin gerufen, gerät Mari hier hinein. Sie ist fasziniert von der ihr fremden Welt, von der zusammengeschlagenen Prostituierten (Karoline Hackländer), von dem verfolgten Zimmermädchen (Cora Fassbender), von der resoluten Geschäftsführerin (Janina Brink).
Ganz nebenbei wird noch ein Krimi erzählt - bleich und fast regungslos sitzt der Computerexperte Shirokawa (Tim Zwinge) in seinem Büro, nachdem er die Prostituierte misshandelt hat. Er ahnt noch nicht, dass ihm die Mafia (als Boss: Bora Ahmet Altun) auf der Spur ist. Nur eine Nacht wird hier geschildert, ein kurzer Blitz in die Menschenleben, und am Ende bleiben alle Fragen offen.
Sehr geschickt hat Ute Kranz mit ihrem Ensemble den Roman umgesetzt, mit gutem Timing, passender Musik und viel Poesie. Ein faszinierender Theaterabend.