Ausstellung Vielschichtiges Nachdenken über die Ideen von Engels

Schau mit neun Kunstschaffenden vom Freien Netzwerk Kultur beim Neuen Kunstverein.

Auf den Kunst-Barrikaden: (v.l.) Christian von Grumbkow, Christiane Tyrell, Gisela Kettner, Zara Gayk, Gabriele Barczik, Katja Wickert und Jan Czech.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Der Empfang ist monumental und bedrängend. Eine bis zu 2,5 Meter hohe und 5 Meter lange Wand aus weiß getünchtem Sperrmüll, auf die eine wilde, mit bedrohlichen Tönen untermalte Filmfetzen-Collage projiziert wird, empfängt den Besucher. „Eine Herausforderung, die zur Auseinandersetzung mit Friedrich Engels’ Ideen heute auffordert“, erklären Zara Gayk und Christina Tyrell, weisen mit ihrer Installation auf faktische und gedankliche Barrikaden hin. Die Barrikade der Künstlerinnen steht im Eingangsbereich der Ausstellung „Was hat das mit Engels zu tun?“, die ab Freitag beim Neuen Kunstverein zu sehen ist.

Vor zwei Jahren begann die Auseinandersetzung mit Friedrich Engels. Die Arbeitsgruppe Bildende Kunst im Freien Netzwerk Kultur erarbeitete zum runden Geburtstag des Barmer Sohns in engem und basisdemokratischem Austausch eine Ausstellung, die die Ideen des kommunistischen Revolutionärs aufs Heute überträgt und hinterfragt. Eine vor allem politische Annäherung, die viele Facetten von Engels aufgreift und zum Nachdenken anregt.

Christian von Grumbkow etwa spürte für sich den Künstler, Bonvivant und aktiven Kämpfer auf. In einer an Warhol erinnernden Art bearbeitete er neun Exemplare einer Aufnahme des jungen Engels mit verschiedenen Farbzusammensetzungen, so dass er in unterschiedlichen Stimmungen erscheint. Von Grumbkows zweite Arbeit besteht aus vier, von ihm selbst gemalten, abstrakten Bildern, auf die er animierte Zitate von Engels projiziert, die zeigen, dass dieser auch Philosoph war.

In einem Türen- und Fensterladen in Oberbarmen entdeckte Christiane Tyrell eine Bleiverglasung mit den Köpfen von Marx und Engels, die in eine graue Zimmertür eingelassen war. Sie baute sie in Augenhöhe in eine Baumarkttür ein, deren Rückseite es in sich hat: Symbole zu aktuellen Streitthemen wie Gelbwesten und Feuerwerksmüll üben deutlich Kritik an den Auswüchsen des Kapitalismus.

In diesen Arbeiten ist
ganz viel Engels drin

„Schwamm drüber“ hat Gisela Kettner ihr aus 360 ästhetisch eingefärbten Haushaltsschwämmen gefertigtes Bild genannt. Die Textildesignerin plädiert damit für den Blick auf heutige Themen, fragt, was wäre, wenn Engels auf den (aktuelleren) Beuys träfe. Dieser sich nicht leicht zu erschließenden Arbeit zu Füßen liegt ihr zweiter Beitrag, ein rundes Sägeblatt, das den Kopf von Engels im Zusammenspiel mit früheren und heutigen Industriesymbolen zeigt.

Gabriele Barczik hat aus weißen Paraloc-Seilen zentrale Begriffe der Ideologie von Engels gehäkelt, die sie Kreuzworträtsel artig verschränkt. „Fehler im System“ kritisiert die dramatischen Auswüchse des Kapitalismus und lädt ein, neue Sinnzusammenhänge herzustellen.

Aus einem Feld von 28 kleinen Betonquadern ragen die Wurzeln von 28 gekappten Maispflanzen. „Erde, Wasser Luft“, so Katja Wickert, thematisiert die im Kapitalismus wie im Kommunismus rein Ertrag orientierte Landwirtschaft. Die aus sieben roten, mit Bettwäschestreifen umwickelten Wachsbackflächen bestehende Arbeit „Kinder, Küche, Kommunismus“ fragt nach der Rolle der Frau. Bei „Utopie und Wirklichkeit“ hat Wickert auf einer Kunststoffplatte aus der Textilindustrie rote Farbe und Asche zu einer bröckelnden Landschaft gefügt, denn „die kommunistischen Ideen sind nicht schlecht, aber für Menschen ungeeignet“.

Jan Czech gibt der Kinderarbeit in den Textil-Fabriken eine Stimme. Er hat sozialdokumentarische Fotos, die 1910 entstanden, serigrafisch bearbeitet. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen das ganze Elend dieser jungen Menschen, die verschlissen wurden. Ein Elend, das auch Engels erkannt habe, sagt Czech.

Mit dem Thema prekäre Wohnungsverhältnisse beschäftigt sich Regina Winkelströter. In Erinnerung an die Situation im „Elendstal“ im Wuppertal der 1850er Jahre hat sie vier skulpturale Gips-Wandarbeiten geschaffen. Fragile wie defekte Dachbedeckungen der damaligen Behausungen.

Andreas M. Wiese arbeitet mit Kunst-Attrappen. Sein Beitrag irritiert die Sehgewohnheiten der Menschen und stellt den Engels-Vermarktungs-Hype mit viel hintergründigem Witz in Frage. In einem sogenannten „Fritz Markt“ bietet er Multiples an – zum Beispiel Papier/Holzarbeiten, die versprechen „ganz viel Engels drin“ zu haben.