Wuppertal schreibt: Traumwandlerische Sicherheit mit keinem Wort zuviel

Roswitha Erdmann gewinnt Wettbewerb. Nun erscheint die Anthologie.

Wuppertal. "Wer schreibt, der bleibt" ist ein bislang vor allem unter Doppelkopf oder Skat spielenden Menschen weit verbreiteter Spruch. Anlässlich der Aktion "Wuppertal liest", in deren Zentrum Christiane Gibiec’ Roman "Türkischrot" steht, wird er um eine Dimension erweitert und bezeichnete den diesjährigen Schreibwettbewerb. Mitmachen konnte jeder, der etwas zum Themenkomplex Krimi-Wuppertal-Vormärz zu erzählen hatte.

"Wir haben viele interessante Beiträge bekommen", fasste Jury-Mitglied Thomas Helbig zusammen. Jüngste Teilnehmerin war die elfjährige Frida, bei der ältesten Mitschreiberin handelte es sich um die hochbetagte Charlotte, die in Australien lebt. Im Zentrum der unterschiedlichen Schreibideen standen dramatische Kriegsereignisse, Heiteres, eine fiktive Begegnung mit Goethe in Barmen und offensichtlich persönliche Erinnerungen.

In der Buchhandlung Köndgen wurden jetzt die besten vier Texte dieses Schreibwettbewerbs vorgestellt. Als "karg, aber mit traumwandlerischer Sicherheit und keinem Wort zu viel" lobte Jury-Mitglied und Autorin Christiane Gibiec den Siegertext von Roswitha Erdmann. Neben diesem ersten Platz gab es gleich drei Zweitplatzierte - und ebenso wie die Gewinner-Story wurden auch diese Beiträge in der gut besuchten Buchhandlung am Sonntagvormittag von Dirk Michael Häger vorgetragen. In Claudia Bangerts Stück "Lange Wege" wurden geschickt Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben und viel Lokalkolorit vermittelt.

Die Hauptperson, eine vornamenlose, offensichtlich an Lebensjahren reiche Frau Knittel, die - übrigens wie die Hobby-Autorin selbst - im Luisenviertel lebt, findet zufällig alte Briefe und Tagebuchaufzeichnungen ihrer Mutter. Eine nicht standesgemäße Verbindung und ein "folgenschwerer Fehler" mit Auswirkungen auf das Leben dieser Frau Knittel werden darin thematisiert.

Auch Elisabeth Goerres’ Beitrag, als zweites vorgetragen, war eher melancholischer Art. Sie beschreibt in einem umfangreichen Beitrag überaus plastisch den Alltag Lottes, die als Riemendreherin ihren kargen Lohn verdient und zusammen mit fünf Geschwistern ebenso wie mit Ratten, Läusen und Gestank in einem winzigen Domizil am Ostersbaum leben muss.

Den wohl amüsantesten Beitrag lieferte Falk Andreas Funke. "Keine andere Geschichte ist so sehr in Wuppertal verhaftet wie diese", so Jury-Mitglied und Schriftsteller Hermann Schulz. "Die Gartenlaubengemütlichkeit wird immer wieder durchbrochen mit Wuppertaler Redensarten und Mundart, spielt zwar Mitten in Barmen, weist aber weit über bergische Gemütlichkeit hinaus."

Und zur Freude der Zuhörer ging es dann zurück in die Zeit, als Ernst Huberty die "Sportschau" moderierte, Peter Frankenfeld für abendliche Unterhaltung sorgte, Liköre namens "Bärenfang honigsüß" getrunken wurden und "Karl ein Kerl wie ein Kleiderschrank" sein durfte.

Jedes Stück bekam seinen verdienten Applaus, vor allem machten die Textbeiträge Lust, die gesamte Anthologie, in der die Arbeiten dreizehn ausgewählter Autoren verzeichnet sind, zu lesen. Alle weiteren Termine im Netz:

www.wuppertalliesteinbuch.de