Wuppertaler Bühnen: Pleiten, große Kunst und wehmütige Erinnerungen
Der Opernchor ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Wer wüsste das besser als vier Sänger, die sich nun schweren Herzens in den Ruhestand verabschieden?
Wuppertal. Als Abschiedslied wäre ein wehmütiger Schmuse-Song wie "Time to say goodbye" passend, denn mit den jetzt aus dem Opernchor scheidenden Sängern Rosina Andriollo, Stefanie Boebé, Tsvetanka Stoilova und Ludgerus Voermann verabschieden sich überaus gestandene Künstler in den Ruhestand.
40 Jahre gehörte beispielsweise Stefanie Boebé dem Chor an - eine lange Zeit, die ebenso wie bei ihren drei Kollegen gefüllt ist mit bittersüßen Erinnerungen. "Es ist ein komisches Gefühl, jetzt zu gehen", bringt Tsvetanka Stoilova die Emotionen auf den Punkt. Denn einerseits erinnern sich die "Fantastischen Vier" an "glanzvolle Zeiten unter Friedrich Meyer-Oertel", der von 1979 bis 1996 Operndirektor der Wuppertaler Bühnen war.
"Das war ganz große Kunst", schwärmt das Quartett und öffnet das geistige Schatzkästchen mit Erzählungen über Inszenierungen wie "Aida". "Parsifal" oder "Iphigenie", mit der damals Gastspiele nach Rom, Turin und Paris führten. "Damals waren 42 Sänger im Opernchor", so Stoilova. Jetzt sind es 24, "es ist also eher ein Kammerchor".
Was für eine verschworene Gemeinschaft der Chor war, zeigt sich auch am Zusammenhalt nach dem Schlussapplaus. "Wir haben immer gut gegessen", lacht Rosina Andriollo. "Diversity" als Synonym für kulturelle Vielfalt ist also nicht bloß ein Schlagwort in Unternehmen, sondern wurde hier gelebt. "Weil wir aus so vielen Nationen stammen, war das immer eine abwechslungsreiche Sache", so Stefanie Boebé.
Natürlich fallen beim Erinnerungsparcours allen auch schlimme Pleiten ein: verpasste Auftritte und Beinah-Unfälle. "Eine Panne ist selbst im Nachhinein nicht komisch", erklärt Boebé, "da stirbt man immer tausend Tode."
Ein wenig wehmütig und melancholisch werden die "Seelen des Opernchors", wenn sie an die Entwicklung der Oper denken. "Im April 1994 hatten wir an 30Tagen 26 Vorstellungen. Nur die Montage waren frei", weiß Voermann. Und die vier Bald-Pensionäre trauen sich offen auszusprechen, was aktive Kollegen nur hinter vorgehaltener Hand sagen: "Jetzt wird länger geprobt als überhaupt aufgeführt."
Auch das Thema "Geld" im Zusammenhang mit Sparmaßnahmen wird von ihnen offen debattiert. "Es wird zu viel gespart", finden sie. "Das Schwerste ist nicht der Abschied vom Beruf, sondern von den Kollegen", macht Stoilova, die auch weiterhin als Gesangslehrerin ihrem Metier treu bleibt, ihrem Herzen Luft. "Sie waren so etwas wie meine Familie." Voermann dagegen freut sich, "endlich ausgiebig Zeit für die Arbeit im Garten" zu haben, und was Boebé als nächstes macht, ist noch vollkommen offen. "Ich ziehe einen Schlussstrich unter das Berufsleben. Was als nächstes kommen soll, überlege ich mir ganz in Ruhe."
Für Andriollo dagegen heißt es: Koffer packen. Die gebürtige Argentinierin fliegt in ihre Heimat, um dort ihre Tochter, die ebenfalls Sängerin ist, zu begleiten. "Endlich kann ich mal länger bleiben als die sonst üblichen sechs Wochen", freut sie sich.