Neue Wege für die Kunst Kunst im Fenster bietet Denkanstöße im Vorbeigehen

Lebenszeichen: „Zukunftsküche“ am Döppersberg zeigt Arbeiten durch Tür und Fenster.

Marc Sieczkareks Installation „Don’t be afraid“ kann von draußen betrachtet werden.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Corona-Krise verändert die gewohnte Welt, stellt nicht erst im zweiten Lockdown etablierte Formen der Kunst in Frage. Eine Chance sei das, ist sich Daniel Hoernemann sicher: „Dafür muss sich die Kunst aber bewegen und neue Wege finden“, appelliert der Künstler und Organisationsentwickler aus Bonn. Geht mit gutem Beispiel voran: Er hat sich neun Worte ausgesucht, die er an eine Fensterscheibe der „Zukunftsküche“ geschrieben hat. Worte, die im Vorbeigehen gelesen und bedacht werden können. Weil die Tür im Lockdown geschlossen bleiben muss, sendet die Einrichtung oberhalb des Wuppertal Instituts nach draußen Lebenszeichen.

Einen idealen „Möglichkeitsraum“ für Zusammentreffen von Kunst und Wissenschaft hatten die Kunstschaffenden Uta Atzpodien und Daniel Hoernemann in den ehemaligen Kantinenräumen des Wuppertal Instituts am Döppersberg für sich gefunden. Wollten hier eine „Zukunftsküche“ etablieren, deren Inhalte sie gemeinsam mit vielen Künstlern und Wissenschaftlern finden wollten. Die Coronakrise engte die Möglichkeiten ein, unterbindet nun jeden Besuch.

Leere Schnapsflaschen als
Teil einer Installation

Also muss nach draußen gewirkt werden. „Die Veranstaltungen brechen weg, die Kunst ist still geworden, umso mehr freuen wir uns dank einer Förderung des Kulturbüros die Räume so bespielen zu können“, erzählt Atzpodien. Heißt: Per Zeitschaltuhr werden die Räume täglich von 17 bis 21 Uhr erhellt. Außerdem gestalten Künstler drei Fenster und eine Tür der verwaisten Restauranträume. Zu Anke Büttners Frau, die sie in stolzer und auffordernder Pose auf die Eingangstür gemalt hat, gesellen sich seit dieser Woche Arbeiten von Uta Atzpodien, Daniel Hoernemann und Marc Sieczkarek.

„Don’t be afraid“ ist ein Satz, den der Tänzer, Choreograph und Kostümbildner Sieczkarek aus Kurt Weills „Die sieben Todsünden“ entnommen und für seine Installation mit anderen Inhalten aufgeladen hat. Über ein Jahr hat der Wahl-Wuppertaler dafür grüne Schnapsfläschchen an der Schwebebahnstation Hauptbahnhof gesammelt. Hat „aus der Energie der Menschen“, die sie leer getrunken haben, „etwas Schönes“ gemacht, erklärt er den Upcyclingsgedanken. Zwei unterschiedlich hohe Pflanzengestelle dienen als Lampen. Ihr Äußeres und der Wintermantel einer Schaufensterpuppe hat er feinsäuberlich mit den Fläschchen umkleidet. Mantel und Lampen stammen aus dem Stück „The tired queens garden“, das Sieczkarek 2015 mit Pina Bausch-Tänzern realisierte. Die bemäntelte Puppe schaut auf ein Bild an der Wand. Die darauf gemalte Waldlandschaft ist zu zwei Drittel unter schwarzer Farbe verschwunden. Eine Anspielung auf die Klimakrise. Die mehrdeutige Szene lädt zum Nachdenken über die Krisen dieser Welt ein

Uta Atzpodien greift auf ihre Netzwerk- und Dramaturgie-Knowhow zurück, projiziert mit einem Overheadprojektor ein pflanzliches Muster auf eine meist weiße Wand. Sie hat sie aus den Pappwürfeln gebaut, die ehedem der kreativen Gestaltung durch Besucher dienten. Auf einem hat Dieter Jandt ein Gedicht geschrieben, „Spuren hinterlassen“, freut sich Atzpodien.

Hoernemann wiederum spielt mit den Begriffen, die beschreiben, „was wir hier machen“: Wissen (Wuppertal Institut), Körper (Kantine), Kunst (kunstschaffende Mieter). Ergänzt das Trio um Verstehen, Nähren, Gestalten sowie Sicherheit, Liebe, Freiheit. Gibt mit auf den Weg, dass die Kunst gerade in der Krise helfen könne, weil sie die Fähigkeit habe, die Perspektive zu wechseln, Freiräume zu schaffen. Und weil, so kritisiert Atzpodien die aktuelle Politik, „die Kunst als Expertin im Umgang mit Unsicherheit eigentlich systemrelevant ist“.

Bis in den Januar hinein wird die „Schaufensterkunst“ bleiben, später soll auch drinnen wieder Leben einkehren können. Mit dem Wuppertal Institut sind die Kreativen im Dialog. Ideen kreisen um Austausch, Gastronomie (vor der Coronakrise waren schon Gespräche mit einem Caterer geführt worden) und den Wunsch nach Gemeinsamkeit. Unabhängig davon appellieren die Kunstschaffenden an Ladeninhaber, Schaufensteranteile gerade jetzt auch als Ausstellungsfläche bereitzustellen.