Zurück in die Vergangenheit: „Tango“-Premiere in Elberfeld
Regisseurin Iwona Jera widmet sich dem Generationenkonflikt.
Elberfeld. „Man kann das Stück auf verschiedenen Ebenen lesen — als Familien-Groteske oder als politische Allegorie.“ Wenn Iwona Jera über „Tango“ spricht, wird eines immer deutlicher: Slawomir Mrozeks Dreiakter ist für die Regisseurin weit mehr als nur ein groteskes Spiel. „Immer wieder schimmert das Politische durch“, sagt die Polin, der das Theaterstück vermutlich auch deshalb so viel bedeutet, weil der Autor ein Landsmann ist.
Deutlich spürbar ist ihre grundsätzliche Verbundenheit — zum Stoff, zum Autor, zu den Figuren. Dabei dreht sich das, was sich ab dem 11. November im Kleinen Schauspielhaus abspielt, vor allem um zwei zentrale Fragen: „Was geschieht in einem gesellschaftlichen Machtvakuum? Welche Gefahren lauern, wenn keiner mehr an eine gelebte Demokratie glaubt?“ Eines dürfte deshalb schon vor der Premiere klar sein: Der Generationenkonflikt hat nicht nur im Privaten Folgen. Das Gefühl der Desorientierung zieht deutlich weitere Kreise. Was also passiert, wenn sich alle ins Private zurückziehen, statt öffentlich aufzubegehren?
Mrozek beschreibt es so: Die Wohnung ist voller Gerümpel, die Familienbande zerbröseln. Großmutter Eugenia und ihr Bruder Eugen zocken und betrinken sich. Der Vater beschäftigt sich nur mit seiner Performance-Kunst, die Mutter vergnügt sich mit dem Hausfreund. Mit anderen Worten: Der Drei-Generationen-Haushalt, den Sohn Artur komplettiert, hat sich in der Konventionslosigkeit und freizügigen Lebensweise eingerichtet.
Jera freut sich, das Gefühl der Desorientierung nun nach Elberfeld zu bringen: „In Polen wird das Stück nicht oft gespielt. Dort sind die Menschen in einer anderen Phase — der Phase davor sozusagen.“ Das Stück indes machte Mrozek „weltbekannt“, wie Jera betont. „In Polen ist er ein großer Held.“ Und punktet nicht auf pädagogische Art, sondern auf grotesk-witzige Weise.
Wobei der Titel durchaus in die Irre führt. „Es ist kein Stück über den Tango“, erklärt Jera mit einem Augenzwinkern, „aber wir werden tanzen.“ Zumal die Schauspieler eigens von Tangolehrer Christian Schmidt in die Welt der bezeichnenden Schrittfolgen entführt worden sind.
Zwei Schritte vor und drei zurück: „Die Zeit vergeht im Tango-Rhythmus“, sagt die Regisseurin, die sich damit ein Beispiel an Mrozek nimmt. „Er hat sich der Philosophie des Tanzes bedient.“ Auch für Jera ist dies bei den Proben ein wichtiger Schritt: „Es geht um das Wieder-Ankommen im Gestern. Man könnte es am Ende auch so inszenieren, dass Hitler wiederkommt. Es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten.“
Ob den Wuppertalern die polnische Variante gefällt, zeigt sich am 11. November. Bis dahin formuliert Jera ein Versprechen, das auch eine schelmische Drohung sein könnte: „Das Stück ist ernst, aber auch lustig. Man kann sich darin wiedererkennen.“