Extremsport: „Der schönste Lauf der Welt“

Beim Marathon durch die Sahara blüht der Ronsdorfer Arzt Alfred Witting auf.

Wuppertal. "Durch die Wüste" heißt der erste Band von Karl Mays Orient-Zyklus, bei dem Kara ben Nemsi und sein Gefährte Hadschi Halef Omar hoch zu Ross oder Kamel die riesige Ödnis durchqueren. Doch während die beiden Helden ihre Abenteuer nur in der Fantasie des sächsischen Erzählers erleben, war der Ronsdorfer Arzt Alfred Witting tatsächlich unterwegs, und zwar zu Fuß beim "22. Marathon des Sables", der in sechs Tagen 240 Kilometer weit durch die marokkanische und algerische Sahara führte.

Mit Lichtschutzfaktor 60 beim Jubiläums-Marathon

Für Alfred Witting war es die zweite Teilnahme an dieser Tortur und sein 100. Marathon überhaupt, weshalb er - versehen mit Lichtschutzfaktor 60 - auch mit der Startnummer 100 auf die holprige Piste gehen durfte. Extreme Bedingungen für Menschen und Material, bei denen die Läufer 15 Kilo Gepäck und die Wasservorräte selbst transportieren mussten. Mit dabei neben karger Nahrung auch eine Signal-Rakete, die bei Verletzung und anderen gesundheitlichen Problemen die "Doc-Trotters", ein speziell geschultes Ärzte-Team, auf den Plan ruft. Alfred Witting benötigte deren Dienste jedoch nicht. Darauf ist der 50-Jährige stolz und weist auf seine gewissenhafte Vorbereitung hin. Unter anderem lief er viermal den 106-Kilometer-langen Kurs "Rund um Wuppertal" nonstop. Im Schnee sei das die ideale Vorbereitung für die schweren Bedingungen in der Wüste gewesen, so Witting.

Todesfall überschattete den extremen Wüstenlauf

Aber nicht alle überstanden die Strapazen bei Tagestemperaturen von circa 70 Grad und nächtlichen Minusgraden so gut. Von 767 Startern erreichten 730 nach sechs Tagen das Ziel, überschattet wurde der Wüstenlauf durch einen Todesfall. "Ein französischer Läufer hatte die vierte Etappe besonders schnell geschafft, war aber danach so unruhig, dass er im Zelt nicht schlafen konnte. Da hat er eine Schlaftablette genommen und ist nicht wieder aufgewacht. Extremsport und Medikamente, das verträgt sich nicht ," erzählt Witting, der nicht nach Rekorden strebt. "Man darf bei diesen extremen Bedingungen nie versuchen, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen." Einen "Bruder im Geiste" lernte der Ronsdorfer auf der ersten Etappe in dem aus Palästina stammenden Senegalesen Issam el Zein kennen. "Wir sind eine Zeitlang nebeneinander gelaufen und haben dann festgestellt, dass wir das gleiche Tempo und die gleiche Herzfrequenz hatten. Da haben wir beschlossen, die gesamte Strecke gemeinsam zurück zu legen." Gemeinsam erreichten sie auch das Ziel nach fünf Tages- und einer Nacht-Etappe, die von den Läufern mit am Kopf befestigten Grubenlampen bewältigt wurde. So "komfortabel" wie die viele Kilometer lange Anreise zum Start in offenen Lastwagen und der Lauf selbst ist auch das Nachtlager. "Auf dem Wüstenboden liegt eine Decke und darauf ruhen die Läufer in ihren Schlafsäcken." Schlangen und Skorpione sind nicht zu fürchten. "Wenn da rund 800 Menschen anrücken, dann flüchten die."

Hoffnung auf einen Start beim "Badwater"-Lauf

"Fantastisch" habe er sich nach den 240 Kilometern gefühlt, beteuert der ärztliche Direktor des Ronsdorfer Zentrums für ambulante Medizin. Warum tut er sich das an? "Weil es der schönste Lauf der Welt ist." Deshalb spielt für Witting die Endplatzierung keine Rolle - er will sie nicht wissen.