Trauer um Hee Wan Lee: Volleyball war sein Leben
Wuppertal trauert um Hee Wan Lee, der als Spieler und Trainer beim SV Bayer eine Erfolgsgeschichte schrieb.
Wuppertal. „Neun Buchstaben, zehn Finger“, war der Spitzname von Hee Wan Lee, was bedeutet, dass hier ein Volleyballer mit einmaligem Fingerspitzengefühl am Werk war. Der südkoreanische Nationalspieler, der seit den 80er Jahren in Deutschland als Spieler und Trainer Erfolge feierte und wie kein anderer für die Triumphe des SV Bayer Wuppertal in den 90er Jahren steht, ist am Donnerstag im Alter von 55 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.
Diese Nachricht hat am Freitag auch bei seinen Wuppertaler Weggefährten Bestürzung ausgelöst. Dass er an Krebs erkrankt war, war in der Volleyballszene bekannt, doch zuletzt gab es gute Prognosen. „Ich habe ihn Anfang Mai bei der Aufstiegsfeier der Volleyballerinnen von Bayer Leverkusen getroffen, da hieß es, er werde als Techniktrainer bei den Damen einsteigen“, sagte Helmut Glimpf, der zu Hee Wan Lee einst als Teammanager des SV Bayer engen Kontakt hatte.
„Er hat gezeigt, wie man diesen Sport zelebriert, solche Pässe aus dem Handgelenk konnte sonst niemand spielen, dazu war er ein sehr netter Mensch“, spricht Glimpf mit Hochachtung von dem Koreaner. 1991, nachdem Lee mit Bayer Leverkusen nach Wuppertal gewechselt war, drückte er der Mannschaft neun Jahre lang als Spieler und Trainer seinen Stempel auf. Zwei Meisterschaften (‘94, ‘97), ein Pokalsieg (‘95) und ein Europapokalendspiel (‘96) fielen in diese Zeit.
Bei Spielern und den Zuschauern in der Uni-Halle ist unvergessen, wie Lee 1997 im ersten Meistschaftsfinale gegen Friedrichshafen für den nach einem Schwächeanfall zusammengebrochenen Zuspieler Daniel Reitemeyer einsprang. Zwei Jahre lang hatte der damals 41-Jährige nicht mehr gespielt, plötzlich zog er sich wie selbstverständlich die Trainingsjacke aus und führte die Mannschaft zum wichtigen ersten Sieg. So entstehen Legenden.
Ich weiß noch genau, dass er uns nach dem Satzausgleich zum 1:1 gesagt hat, dass wir den nächsten Satz wohl verlieren werden, weil er sich einspielen muss, wir am Ende aber 3:2 gewinnen“, erinnert sich sein Schützling Jens Larsen. So kam es, und Lee leitete den letzten Punkt durch einen Abwehrball sogar selbst ein.
An seine Spieler hatte er hohe Ansprüche. „Als ich 1993 gekommen bin, hat er mir gesagt, Jens, Du hast mein Vertrauen zu 20 Prozent“, berichtet Larsen von einer Episode, die ihn gleichermaßen angestachelt wie beeindruck hat. Nachdem der Däne in der Saison zum besten Angreifer der Liga avancierte, kam Lee nach der Meisterfeier zu ihm und sagte: „Jens, jetzt hast Du mein Vertrauen zu 100 Prozent.“
„Lees Vertrauen erst erarbeiten musste sich auch Wolfgang Kuck, den er in Wuppertal vom Zweitliga- zum Weltklassespieler machte. „Er war der beste Techniktrainer, den ich jemals kennengelernt habe und eine große Persönlichkeit auf und neben dem Spielfeld“, sagte Kuck am Freitag. Der 44-Jährige lebt seit elf Jahren in Frankreich und streifte, nachdem er seine Volleyballkarriere eigentlich beendet hatte, kurz noch einmal für Narbonne das Trikot über und half mit beim Erstliga-Aufstieg. Jetzt strebt er — wie Lee — eine Trainerkarriere an.
Es war zwar nicht immer einfach, den Koreaner verbal zu verstehen, aber seine Volleyball-Philosophie konnte er den Spielern trotzdem stets vermitteln. Wie? „Das kann ich nicht sagen, man muss es gespürt haben, manchmal sagen weniger Worte mehr“, antwortet Jens Larsen. Auch das habe er von Hee Wan Lee gelernt.