Markus Kammann: Ansichten eines Musikverrückten
Einst war Markus Kammann Chef der legendären „Beatbox“. Jetzt macht er selbst Musik und spricht über Wuppertal und seine Szene-Qualitäten.
Wuppertal. Markus Kammann ist einer, dem Sicherheiten wie ein geregeltes Einkommen oder geradliniger Lebenslauf nicht viel bedeuten. Und er ist einer, der sich am liebsten auf sich selbst verlässt. "Heutzutage besitzt man einen Computer und kann damit hervorragend zeitgenössische Musik machen", erklärt er und nimmt einen tiefen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Mit "zeitgenössisch" meint Kammann vor allem "elektronisch". Mit dem Rechner könne man bekannte Stücke, Frequenzen einfach mit neuen Melodien mischen, "sampeln". Auch Geräusche. "Quietschen, Schreddern - alles was du willst."
Markus Kammann über die "Beatbox", die er mit der Free-Jazz- und der New-Wave-Bewegung gleichsetzt.
Für den 52-Jährigen ist Musik Leidenschaft, Beruf, Berufung. Wenn er nicht in einem der Kaffees Elberfelds anzutreffen ist, sitzt er in seiner Wohnung in der Nordstadt und komponiert elektronische Tanzmusik. Kammann, der sich gern und schlicht "Mack" nennen lässt, hat ursprünglich Pädagogik studiert. Mit dreißig Jahren entschied er sich, ausschließlich für die Musik zu leben. Der gebürtige Solinger kam ins Tal, mit großen Ideen. "Hier war viel los, eine unglaubliche Szene." Er lernte die richtigen Leute kennen - und mit Heribert "Mü" Meuser und Andreas Dahm eröffnete er 1988 seinen ersten Club, die "Beatbox" an der Wesendonkstraße.
Die Beatbox, das war die "dritte Wuppertaler Revolution", erinnert sich Kammann heute - also nach der Free-Jazz-Szene in den 60ern und der New-Wave-Bewegung der 70er. Hier wurde die Neue Deutsche Welle miterfunden, betont Kammann - "Fehlfarben oder Deutsch Amerikanische Freundschaft kommen aus Wuppertal. Das wissen viele nicht mehr."
Die Beatbox war seinerzeit einer der besten Musik-Clubs weltweit, sagt Kammann, basierend auf schwarzer Musik - Raggae, Hip-Hop, Jazz, Funk. "Wir haben einen neuen Weg beschritten. Man muss sich vorstellen, damals gab es nur zwei Arten von Läden, die Rock-Hippie-Läden aus den 70’ern und die kommerzielle Diskothek." In der Beatbox aber wurde Musik vorgestellt, die keiner kannte. "Musikalische Früherziehung nennt man das wohl heute", sagt Kammann und lacht.
Das Konzept ging auf. Überregionale Magazine berichteten, wie auch die großen Zeitungen aus England, Spanien USA. An den Wochenenden kamen Club-Gänger aus Köln, Stuttgart, München angereist - "wir hatten sogar jede Menge japanischen Touristen vor der Tür stehen." Um die Stars zu hören, die sich in dem Club die Klinke in die Hand gaben - Künstler wie Cassandra Wilson, Jamiroquai, Galliano, Coolio, House of Pain oder A Tribe Called Quest. Viele von ihnen standen am Anfang ihrer Karriere. Sie alle spielten vor rund 200 Gästen. "Für mehr war in dem kleinen Laden einfach kein Platz."
1996 war die goldenen Zeiten der "Box" vorbei. Ein neuer Pächter übernahm das Konzept. Kammann plante mit Wolfgang Rosenbaum eine zweite Auflage - das 45rpm - ging aber nach zwei Jahren eigene Wege. "Ich habe mich auf bookings konzentriert, habe Deutschlandtouren für Bands organisiert." Und er komponierte - wenn Zeit blieb, für verschiedene Plattenfirmen.
Immer mal wieder steht er noch selbst hinter den Plattentellern - zuletzt mit seiner Reihe Data-Punk im Sommerloch. Der Erfolg des "Lochs", das in den vergangenen Wochen zum Anziehungspunkt für Partyleute wurde, spreche für sich. "Nach dem 45rpm ist hier nichts mehr passiert." Ein weites Spektrum neuer Musik werde in der Stadt gar nicht mehr repräsentiert. "Es müssen wieder mehr Impulse in die Stadt und aus ihr heraus."
Mike Ollhoff, Organisator und kreativer Kopf des Sommerlochs, stelle diesbezüglich gerade eine Menge auf die Beine. Meistens scheitere es an Auflagen und den finanziellen Rahmenbedingungen. Nach dem Loveparade - Unglück in Duisburg seien alle noch vorsichtiger geworden, ein Grund wohl, warum das Sommerloch umziehen musste. Aber das Publikum, das sei in Wuppertal nach wie vor da.
Dass die Stadt bezogen auf seine Kreativen- und Musikszene ein besonderes Pflaster sei, verneint Kammann aber. "Es sind immer einzelne Personen, oder unbeirrbare Kleingruppen, die den Unterschied ausmachen." Im Prinzip könne diese Art von Clubs überall aufgezogen werden. Wuppertal habe den anderen Städten nur eines voraus. "Es ist seine Tradition, die zurück gewonnen werden muss."