Naturfreunde: 100 Jahre und kein bisschen leise
Naturfreunde feierten ihr Jubiläum mit einem fröhlichen Fest.
Ronsdorf. Andrea versteht sich als „der kleine Power-Floh auf der Bühne“ und spielt, wie sie sagt, „das Dudelsäckchen“ bei „Fragile Matt“. Unter dem Bierzelt beim Sommerfest der Naturfreunde hat die Band mit ihrem Irish Folk alles so fest im Griff, dass sogar der Mann am Würstchengrill zum Takt in die Hände klatscht, statt Würstchen zu grillen. „Whisky in the Jar“ käme jetzt gerade recht. Aber Andrea erzählt etwas von Ziegenmilch, um dann die berechtigte Frage zu stellen: „What shall we do with the drunken Sailor?“
Völlig unbeirrt vom Trubel sitzen fünf Damen an einem Tisch und stricken, was das Zeug hält. Das, sagt Wolfgang Weil, soll am Ende ein langes Band der vielen Aktivitäten und Begebenheiten im Vereinsleben ergeben. An so etwas muss eine alte Frau in der Tat lange stricken, denn immerhin feiern die Naturfreunde gerade ihr 100-jähriges Bestehen.
Am Ehrenberg sei es gewesen, wo sich 1912 zufällig drei fahrende Handwerker trafen und den Entschluss fassten, einen Barmer Zweig der Naturfreunde zu gründen. Die Keimzelle des Vereins sei aber eigentlich Wien gewesen. Das hehre Anliegen der Gründer: die Arbeiter aus den Kneipen holen und in die Natur führen.
„Wichtig ist uns die Erziehung im sozialistischen Geist und der Verzicht auf Alkohol und Nikotin“, schrieb sich die rheinische Naturfreundejugend in den 1920er Jahren auf die Fahnen. Heute klingt das für die einen allzu revolutionär, für die anderen ziemlich anstrengend. „Mit dem Sozialismus sind wir nicht weit gekommen“, räumt Weil ein. „Mit dem Verzicht auf Alkohol auch nicht.“
Ohnehin sei es so, dass die Zahl von derzeit 300 Mitgliedern gar nicht so leicht zu halten sei. Gerade um den Nachwuchs stehe es nicht besonders gut. „Jüngere Leute wollen sich nicht mehr so gern binden. Das gilt sogar für Partnerschaften.“ Dabei sieht Weil in den Festen ein durchaus attraktives Element: „Hier findet wirkliche menschliche Begegnung statt. Hier werden Verbindungen geknüpft, Freundschaften gepflegt und so manche Liebe wurde bei unseren Festen schon gefunden.“
Jenseits der Geselligkeit gibt es bei den Naturfreunden aber auch den Glauben an eine Utopie: „Wir brauchen eine grundsätzliche gesellschaftliche Alternative, die die Menschen überzeugt. Diese Utopie kann nur wachsen in der Praxis des Tuns und in vielen Gesprächen und Begegnungen.“ In diesem Sinne war das Sommerfest ein gelungener Beitrag.