#Brexit Partnerstadt South Tyneside stimmt für den Austritt
62 Prozent in Wuppertals Partnerstadt sind für den Brexit. Bergische Wirtschaftsexperten warnen vor Panik. Politiker sehen Europa in der Krise.
Wuppertal/South Tyneside. „I can’t live — with or without you“, heißt es in dem Song von U 2, der die Katerstimmung in ganz Europa nach dem Brexit-Votum in eine Zeile fasst. Denn über kurz oder lang müssen die Europäer nun ohne die Briten in der EU klarkommen und die Briten ohne uns, obwohl es vielfältige wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen gibt. „Nur keine Panik“, lautet trotzdem das Urteil der Wirtschaftsexperten im Bergischen Land, während die Politiker mit Begriffen wie Krise, Drama und schwarzer Tag für Europa nicht sparen.
„Wir sind schockiert und enttäuscht über das Ergebnis. Die Krise an den Finanz- und Aktienmärkten hat bereits begonnen. Dies ist die größte Fehlentscheidung, die ich je erlebt habe. Gott sei Dank haben wir echte Freunde in Wuppertal und sonst wo in Europa“, sagt Tom Fennelly, der sich seit Jahrzehnten für die Städtepartnerschaft zwischen South Tyneside und Wuppertal einsetzt. Sein Freund Wolfgang Mohrhenn aus Ronsdorf, der in einigen Tagen mit seiner Band „Knapp daneben“ bei einem Musikfestival in der Partnerstadt auftreten wird, ist ebenfalls entsetzt. „Die wirtschaftlichen Folgen des Brexit kann ich nicht einschätzen, aber der wachsende Nationalismus, der sich in ganz Europa breit macht, bestürzt mich sehr.“ Negative Auswirkungen auf die Städtepartnerschaft erwartet Mohrhenn nicht.
Dass Oberbürgermeister Andreas Mucke die Musiker in einigen Tagen in die Partrnerstadt begleitet, die mit 62 Prozent klar für den Brexit stimmte, hat nichts mit dem Votum zu tun. „Der Antrittsbesuch ist schon länger geplant. Ich bedauere die Entscheidung der Briten sehr, denn wir brauchen gerade jetzt eine engere Zusammenarbeit in Europa. Der Frieden ist der Kern des europäischen Gedankens“, sagt Mucke. Auf der Ebene der Städtepartnerschaften möchte er das auch durch Besuche von Legnica und Kosice demonstrieren.
Keinen Grund zur Panik sieht Uwe Mensch, Geschäftsführer der Bergischen IHK. „Ich hatte dieses Votum nicht erwartet“, sagt er. Man müsse es aber akzeptieren, die Briten hätten das Recht, so abzustimmen. Unmittelbare Folgen zeichneten sich an den Finanzmärkten ab, aber die Asuwirkungen seien „nicht so erschreckend“, die Verluste hielten sich in Grenzen. Neben der Finanzwirtschaft sei langfristig wohl vor allem die Automobilindustrie betroffen, damit auch die hiesigen Automobilzulieferer. Das Exportvolumen der Wuppertaler Wirtschaft im Handel mit den Briten beziffert Mensch auf rund 200 Millionen Euro im Jahr. Auch weil sich die Verhandlungen über den Austritt über zwei Jahre hinziehen würden, seien kurzfristige Einbrüche nicht zu befürchten.
Ähnlich gelassen schätzt Michael Weber, Unternehmenssprecher von Vorwerk die Folgen. „Es gibt dort zwei Vertriebsgesellschaften, die den Thermomix und den Kobold verkaufen. Unmittelbare Auswirkungen erwarten wir keine“, sagt Weber. Ein Problem sei die politische Unsicherheit. Ich denke, die Briten sind über ihr Votum selbst erschrocken“, so Weber.
Von einem „Drama für Europa, aber einem noch größeren Drama für die Briten“, spricht der Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU). Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sieht die Europäische Union in ihrer tiefsten Krise. Der SPD—Landtagsabgeordnete Josef Neumann betrachtet ebenfalls die Folgen des Brexit für die Briten mit Sorge. Professor Paul Welfens von der Bergischen Universität hält einen Neustart der EU für erforderlich. Das Brexit-Votum wertet er als Erfolg der Populisten. „Hätte Cameron sein Schicksal mit einem Votum über den Erhalt von Zebrastreifen verbunden, hätten die Wähler diese abgeschafft“, so Welfens.