Offen gesagt Schwächungspakt
Am Ende entpuppt sich der hochgelobte Stärkungspakt des Landes Nordrhein-Westfalen mit bettelarmen Kommunen wie Wuppertal als Pleite. Nach jahrelangen Sparanstrengungen, nach Darben und dem Umdrehen jedes einzelnen Cents, nach Hunderten von abgebauten Stellen in teils sehr sensiblen Ämtern der Stadtverwaltung steht Kämmerer Johannes Slawig da, wo er auch vor den Zeiten des Stärkungspaktes stand.
Er steht vor dem Nichts.
Gerade noch 131 000 Euro Überschuss plant Slawig für 2021, das ist eine äußerst magere schwarze Null. Und es braucht nur einen Windhauch, um sie fortzuwehen. Dann erfüllt Wuppertal die Vorgaben des Stärkungspaktes nicht mehr und droht der Sparkommissar der Bezirksregierung. Um das zu verhindern, werden die Damen und Herren im Stadtrat sehr wahrscheinlich noch beschließen, die eine oder andere sogenannte freiwillige Leistung zu streichen. Das sind Gegenwerte für die knapp 70 Millionen Euro, die Wuppertal für Freizeit, Sport und Kultur ausgibt, obwohl es dazu nicht verpflichtet ist. Es sind die Investitionen, die über die Lebensqualität und die Attraktivität einer Kommune entscheiden.
Dabei sind 70 Millionen und erst recht 131 000 Euro angesichts eines Haushaltes von insgesamt 1,4 Milliarden Euro eigentlich kaum der Rede wert. Aber für das Oberzentrum des Bergischen Landes bauen sie sich zu einer unüberwindbaren Hürde auf. Die Folge davon liegt auf der Hand, Wenn Wuppertal weiter spart, wenn nicht endlich in Infrastruktur und Lebensqualität investiert wird, dann wird die Abwärtsspirale Fahrt aufnehmen, dann befindet sich Wuppertal auf der Rutschbahn, an deren Ende heute schon Städte wie Gelsenkirchen und Pirmansens stehen. Das ist zu einem großen Teil das Ergebnis eines Stärkungspaktes, der im Grunde nichts als ausgeglichene Haushalte zum Ziel hatte. Das eigentliche Problem der Kommunen wurde und wird nicht gelöst.
Städte wie Wuppertal, aber auch Solingen und Remscheid haben ein Einnahmeproblem. Die Geldquellen Gewerbesteuern, Gebühren und Anteil an der Einkommensteuer sind zu schwach in Regionen, die von einem Strukturwandel in den nächsten wanken. Hinzu kommt, dass Städte mit Aufgaben betraut werden, deren Umfang sie nicht mitbestimmen dürfen. Im deutschen Föderalismus gilt eben nicht die Regel, dass der die Musik bezahlt, der sie bestellt hat. Umso schwerer haben es die großen Städte im Bergischen Land, wo seit dem Strukturwandel der 1980er und 1990er Jahre viel zu viele Menschen von Sozialhilfe abhängig sind. Dass beispielsweise Wuppertal in den vergangenen Jahren auch noch wuchs, spricht für die ausgeprägte Humanität der Stadtgesellschaft. Wirtschaftlich ist es eine große Belastung, weil Bund und Land eben nicht alle damit verbundenen Kosten ersetzen,
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass Wuppertal in den vergangenen Jahren nichts mehr für sich getan hat. Dem Schwung durch die Entscheidung für den Döppersberg ist nichts gefolgt. Statt durch eine gezielte Stadtentwicklung, durch die Ansiedlung einkommenstärkerer Einwohner und neuer Unternehmen Zukunft zu organisieren, pflegen Verwaltung und Rat die eigene Kraftlosigkeit. Wann immer jemand Aktivität vorschlägt, wird er mit den Argumenten „kein Geld“ oder „kein Personal“ oder beides zusammen ausgebremst. Abgesehen davon, dass Bund und Länder sich üblicherweise nicht besonders um die Geschicke ihrer Kommunen scheren, sitzt nirgendwo jemand, der beschlossen hat, dass Wuppertal nie mehr auf die Beine kommen darf. Also ist der Stillstand zu einem großen Teil auch hausgemacht.
Der Warnruf des Stadtkämmerers ist einerseits die korrekte Anamnese des Zustands Wuppertals. Gleichzeitig stellt Johannes Slawig Rat und Verwaltung aber auch ein ziemlich dürftiges Zeugnis aus. Es ist umso schlechter, als die Signale seit Jahren zu sehen sind, die nun auf noch schwerere Zeiten für Wuppertal hindeuten.
Deshalb reicht es nicht, die Prophezeiungen des obersten Kassenwartes einfach nur zur Kenntnis zu nehmen. Es ist Zeit, dass Wuppertal sich wieder Ziele steckt, bräsige Selbstzufriedenheit durch Hunger auf Erfolg ersetzt und sich nicht länger lähmt mit provinziellen Kleinkriegen um Pöstchen und mit Nachbarstädten. Wer sich nach der Ratssitzung am vergangenen Montag, nach den Mahnungen von Johannes Slawig nun immer noch nicht zusammenreißen kann, der sollte so etwas Wichtiges wie Kommunalpolitik und Stadtentwicklung nicht erst nach der Wahl im September nächsten Jahres jenen überlassen, die noch etwas erreichen wollen, die Mut, Ideen und Elan haben. Solche Menschen gibt es wirklich. Gerade auch in Wuppertal.