Bildung „Solinger Weg“ sorgt für Diskussionen

Wuppertal · Ist die Teilung der Schüler in Präsenz- und Distanzunterricht sinnvoll? Wuppertaler Schulen sind sich uneins.

Der Umgang mit Corona an Schulen wird diskutiert.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Vergangene Woche wollte die Stadt Solingen den Schulunterricht entzerren. Angesichts steigender Infektionszahlen sollten Schüler an weiterführenden Schulen zur Hälfte Präsenzunterricht erhalten, die anderen zu Hause digital beschult werden. Ziel war, die insgesamt rund 20 000 Schüler vor einer Schulschließung zu bewahren.

Die Landesregierung erteilte der Stadt Solingen dafür eine Absage. Der sogenannte „Solinger Weg“ widerspreche einem gleich gerichteten Vorgehen innerhalb des Landes, aber auch den Vereinbarungen der Länder untereinander, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer dem WDR. „Er wird den vielfältigen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler nicht gerecht, vor allem nicht unter dem Gesichtspunkt der Bildungsgerechtigkeit.“

In Wuppertal, wo der Inzidenzwert am Freitag bei 198,03 lag, sorgt die Absage für Diskussionen. „Ich finde es falsch, dass das Land diese Möglichkeit grundsätzlich verhindert“, sagt Schuldezernent Stefan Kühn. Zumal das Robert-Koch-Institut (RKI) eine Klassenteilung ab einem Inzidenzwert von 50 empfehle und in Niedersachen ab einem Inzidenzwert von 100 sogar vorgeschrieben sei.

Die Stadt habe bereits Gespräche mit den Schulformsprechern geführt. „Daraus hat sich ein sehr unterschiedliches Meinungsbild ergeben. Die Meinungsbildung der Stadt war nicht abgeschlossen“, sagt Kühn. Sie sei nun aber nicht mehr notwendig.

„Die Realschulen haben die Überlegungen der Stadt Solingen mit großem Interesse verfolgt“, sagt Rolf Puller, Sprecher der Realschulen. Es gehe einerseits darum, die Kinder und die Jugendlichen „in der Schule zu halten“, und andererseits, alle Beteiligten der Schulgemeinde bestmöglich zu schützen.

Bisher gab es keine Infektionsketten an Schulen

Viele Realschulen hielten daher die Empfehlungen des RKI und die Planungen der Nachbarstadt für einen guten Weg. „Wenn in der Stadt Wuppertal eine ähnliche Regelung angestanden hätte, hätte sicher jede Schule einen den eigenen Räumlichkeiten und der eigenen Organisation bestens angepasste Umsetzung gefunden“, sagt Puller. Da sei er sich sicher.

Die Schulleiter der Wuppertaler Gymnasien sind sich hingegen einig, dass sie den Vorschlag zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter forcieren wollen. „Es ist ein sinnvoller Weg. Das steht außer Frage“, sagt Christiane Genschel, Sprecherin der Gymnasien. Aber die Schulen seien kein Hot-Spot, sondern es gebe vereinzelte Fälle: „Schulen sind ein relativ sicherer Ort.“

Kinder sollten nicht ohne Not in den Distanzunterricht geschickt werden. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir die Schüler verlieren“, sagt die Schulleiterin des Gymnasiums Johannes Rau über die Schulschließungen im Frühjahr. „Jede Woche, die wir Kinder weiterbeschulen können, ist eine gewonnene Woche.“ Sie fordert ein Agieren mit Augenmaß: „Wenn die jetzigen Maßnahmen nicht helfen, dann muss man überlegen, ob man weitere Bereiche runterfährt.“

Am Gymnasium Johannes Rau gab es bisher „keine Handvoll Infizierte“. Meist mussten Schüler in Quarantäne, weil Angehörige positiv getestet wurden. „Die Kinder infizieren sich im privaten Bereich“, sagt Genschel.

Das bestätigt die Stadt. Demnach gab es schon an allen Wuppertaler Schulen Corona-Fälle. Manche Schulen mussten komplett schließen, manche nur klassenweise für ein bis zwei Tage, um zu klären, wer Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatte. „Die Fälle waren aber nicht abhängig voneinander“, sagt Stadtsprecher Thomas Eiting. Das heißt, die Schüler haben sich untereinander nicht angesteckt.

„Aus pädagogischer Sicht sind wir uns einig, dass wir Präsenzunterricht machen wollen“, sagt Bettina Kubanek-Meis, Sprecherin der Gesamtschulen. Das Schulleben sei nicht im Distanzunterricht abbildbar. Aber es gebe in der Diskussion unterschiedliche Gewichtungen. Für den Solinger Weg spreche, dass es zum Teil schwierig sei, die Hygienebestimmungen einzuhalten, es in Bussen oder bei schlechtem Wetter in der Pausenhalle eng sei. Die Schüler seien aber sehr diszipliniert, trügen Maske und versuchten, Abstand zu halten.

Wenn das Wetter schlechter werde, müsse man schauen, wie das Lüften gelinge. „Da würde eine Halbierung helfen“, so Kubanek-Meis. Für den Präsenzunterricht spreche, dass noch nicht überall digitale Geräte zur Verfügung stehen. Aber die Sorge sei, dass sich die Lage weiter zuspitzt und es Infektionen innerhalb der Schulen gibt.