Ein Leben, länger als ein Jahrhundert
Älteste Wuppertalerin feierte gestern ihren 106. Geburtstag.
Barmen. Feiertag im Altenheim an der Zeughausstraße: Martha Schäfer hatte dort gestern zu ihrem 106. Geburtstag geladen. Sie ist derzeit die älteste Wuppertalerin. Schon in den Gängen hörte man Stimmengewirr und Gelächter, das Zimmer der betagten Dame war rappelvoll mit Geburtstagsgästen, die alle zum Gratulieren gekommen waren. Milde lächelnd begleitete Martha Schäfer das Geschehen.
Im Alter scheint sich vieles zu relativieren - scheinbar Wichtiges wird unwichtig, anderes gewinnt an Bedeutung. Wo sie überall gewohnt habe, das wüsste sie nicht mehr so genau. "Aber in der Kante bin ich immer geblieben." Geboren ist sie jedenfalls in Langerfeld - das sei entscheidend, "Wuppertal gab es da noch lange nicht."
Dass die Stadt im Juni 80 Jahre alt wird, ist der rüstigen Seniorin nicht entgangen. Besonders spannend sei die Zusammenführung damals aber nicht gewesen: "Der Barmer Bürgermeister ist eine Stufe nach oben gerutscht, da hatten wir doch nichts davon", sagte sie unbeeindruckt und entlockte Oberbürgermeister Peter Jung, der auch unter den Gästen weilte, ein kleines Schmunzeln.
Gearbeitet hat Martha Schäfer beim Blauen Kreuz, bei dem sie bereits 89 Jahre Mitglied ist. Viele Briefe habe sie dort geschrieben, das weiß die alte Dame noch genau, "die Unterschrift hat aber immer jemand anders darunter gesetzt", ist sie heute noch entrüstet.
Und dann erinnerte sich das Geburtstagskind an die Momente, die sie entscheidend geprägt haben: An den Bombenangriff in Barmen. 1943 hatte sie den Geburtstag ihrer Schwester Else vorbereitet und viele Kuchen gebacken. Als der Angriff kam, flüchtete sie mit Else in den Keller - die Kuchen mussten sie zurück lassen und versteckten sie unter dem Bett, um sie vor den Bombensplittern zu schützen. "Es war umsonst, sie waren voll davon".
Martha Schäfer hat das Inferno, das vielen älteren Wuppertalern noch heute in Erinnerung ist, miterlebt. Die glühenden Funken auf dem Dachstuhl, die die Gefahr auslösten, dass ganze Häuser abbrannten, sie mussten gelöscht werden. Die verzweifelten Löschversuche hat sie nicht vergessen, aber sie hat den verheerenden Angriff überlebt - "dafür bin ich heute noch dankbar."
Einiges blieb am gestrigen Ehrentag ein Geheimnis: Etwa, warum sie nie heiratete oder ob sie sich Kinder wünschte. Wie man so alt wird, das verrät sie aber doch: Sport sei nicht wichtig. "Viel lesen und auswendig lernen. Das hält fit." Und: Sie glaubt an Gott. "Sonst wär ich nicht mehr hier", sagt Martha Schäfer.